Rezension

Familienbande

Wintergäste - Sybil Volks

Wintergäste
von Sybil Volks

Bewertet mit 5 Sternen

Der vermeintliche Tod der alten Mutter, letztlich falscher Alarm, ist Anlass für ihre erwachsenen Kinder, zwischen den Jahren überstürzt ins Elternhaus auf eine kleine Nordseeinsel zurückzukehren. Sturm, Eis und Schnee zwingen sie, einige Tage im Haus hinter dem Deich zu verweilen. Jeder von ihnen trägt Probleme, Geheimnisse, Hoffnungen mit sich herum. Den ältesten Sohn, vielleicht todkrank, packt das Fernweh. Seine Frau verbirgt vor ihm, wie  es zur Adoption der Tochter gekommen ist. Diese wiederum ist auf der Suche nach ihrer Identität und neuerdings ein Goth. Die älteste Tochter ist von ihrem jungen Geliebten schwanger und unschlüssig, Mann und Kinder zu verlassen. Die jüngste Tochter, verlassen von der Partnerin, will so gerne ein Buch schreiben. Der zweite Sohn, ein Globetrotter und Freigeist, hängt in der Ferne fest. Die Patriarchin ringt mit sich, wem ihrer Kinder sie ihr Haus vererben soll, um es im Familienbesitz zu halten.

So vielfältig die Familiengeschicke und –verbindungen auch aussehen mögen, verstehen lassen sie sich recht bald und man fühlt sich schnell als Mitglied des Familienclans. Eine erste Orientierung bietet schon das vorangestellte Personenregister. Es ergibt sich das Bild einer modernen Familie mit den vielschichtigsten Problemen. Nicht alle davon werden am Ende einer Lösung zugeführt, so dass auch die Fantasie des Lesers angesprochen ist, den Faden weiterzuspinnen, was das Lesen umso interessanter macht. Die Geschichte wird fortlaufend im Wechsel aus der Sicht der verschiedenen Romanfiguren erzählt nach Art eines inneren Monologs. Auf diese Weise ist ein umfassendes, manchmal überraschendes Bild über die Zusammenhänge in der Familie zu erhalten. Alles spielt recht malerisch vor der Kulisse einer winterlichen Insel, die den Wetterkapriolen ausgesetzt ist. Immer wieder werden Wetterbeschreibungen eingeführt. Dazu passt der ungewöhnliche, poetische Schreibstil der Autorin. Diese, eine Großstadtpflanze aus Berlin, hat die Besonderheiten des nordischen Insellebens gut recherchiert, so dass Interessantes zu lernen ist, etwa was ein Alkoven oder ein Bilegger ist. Einen schönen Gegensatz zu dem betulichen Inselleben bilden die zahlreichen Bezugnahmen auf englische Musikstücke, die am Ende des Buches in einer Playlist zusammengestellt sind.

 

Wer wie ich Familiengeschichten aus der Gegenwart mag, sollte unbedingt zu diesem Buch greifen.