Rezension

Familiengeheimnisse

Das Geheimnis meines Vaters, von dem er selbst nichts wusste - Bert Sieverding

Das Geheimnis meines Vaters, von dem er selbst nichts wusste
von Bert Sieverding

Bewertet mit 4 Sternen

Wer gerne Familiengeschichten liest, wird dieses Buch mögen.

Im Mittelpunkt steht Karl, Anfang 50, in der IT-Branche tätig, Sonderling mit Berührungsängsten gegenüber Frauen. Nachdem er sich vor zwanzig Jahren mit seinem verwitweten Vater überworfen und nur noch sporadisch mit ihm telefoniert hat, muss er sich jetzt um dessen Beerdigung und die Regelung des Nachlasses kümmern. In seinem Elternhaus im Oldenburger Münsterland trifft er eine junge Polin an und rekonstruiert die Beziehungen seines Vaters zu Polen. Außerdem werden in Karl Erinnerungen an seine Jugend wach, auch eine unschöne, die sein Sozialverhalten erklärt.

In der Geschichte habe ich mich schnell zu Hause gefühlt, ist ihre Handlung doch in der Nähe meines eigenen Heimatortes angesiedelt, so dass mir viele in Bezug genommene Örtlichkeiten vertraut vorkommen, etwa die erwähnten Umgehungsstraßen rund um Diepholz oder Nienburg, das Cloppenburger Museumsdorf. Der Protagonist ist in etwa mein Geburtsjahrgang, so dass ich mich auch in ihn gut hineinversetzen kann. Einige Dinge, die er aus seiner Jugend erzählt, kenne auch ich noch – etwa das Fotografieren mit der Agfamatic. Dass Karl eine etwas sehr spezielle, widersprüchliche Persönlichkeit hat, macht ihn für den Leser umso interessanter. Einerseits arbeitet er im modernen IT-Umfeld und ist in seiner Freizeit sehr sportlich, andererseits hatte er trotz seines inzwischen mittleren Alters noch nie eine Beziehung zu einer Frau. Ob sein Sozialverhalten allein mit einem Schlüsselerlebnis in seiner Jugend zusammenhängt, weiß ich nicht. Das Geheimnis seines Vaters, auf das der Buchtitel Bezug nimmt, ist recht interessant und wird glücklicherweise recht spät aufgeklärt. Ein paar Längen hat die Geschichte, die einerseits zwar fundiertes Wissen vermitteln, sich aber etwas hölzern lesen. Ich denke da an die Beschreibung der Fotografie in den 70er Jahren oder des VW-Kübelwagens.

Insgesamt kann ich das Buch weiterempfehlen.