Rezension

Fantasy-Suchtpotential

Wanderer 1: Sand der Zeit - Amelie Murmann

Wanderer 1: Sand der Zeit
von Amelie Murmann

Bewertet mit 4 Sternen

Liebe Amelie Murmann, bitte lassen sie uns nicht im Stich und erzählen sie uns, was Emilia, Max, Kit, Florian und Niccolo ebenso wie dem fehlgeleiteten Kämpfer Logan noch zustoßen wird. Soweit ich mich erinnere, sind noch Visionen Emilias offen. Das offene Ende schnürt einem beim Lesen nämlich emotional schier die Kehle zu.

~~Die 17-jährige Emilia Sommer träumt schon seit ihrer Kindheit davon, auf das Eliteinternat Palaestra Viatorum zu gehen. Der Leistungsschwimmerin und Einserschülerin macht allerdings ein „befriedigend“ in Kunst vermeintlich die Chance zunichte, Oberstufe und Abitur an ihrer Wunsch-Schule zu machen. Doch just an dem Tag, an dem ihre Klasse vor den Sommerferien eine Kunstausstellung besucht, über die Emilia eine Hausarbeit schreiben soll um ihre Kunst-Note doch noch zu verbessern, trifft sie auf Maximilian, den sie aus einem Bild herausspringen sieht. Gleich darauf sieht sie einen zweiten Jungen aus dem Bild herausfallen, Niccolo. Fortan wird sie, wie sie zunächst glaubt, von Albträumen verfolgt, in denen sie Maximilian, Niccolo und sich selbst in lebensbedrohlichen Situationen sieht oder einem Reh, einem Hund, einem Fuchs und einem Löwen begegnet.
 Maximilian Morgenstern, Schüler der Palaestra Viatorum, berichtet dem Direktor des Internats von dem Mädchen, das ihn während seiner Bilderwanderung sehen konnte und erhält den Auftrag, sie zu beschatten und an die Schule zu holen. Dies gelingt ihm, weil er in der Schwimmhalle ihr Leben retten kann. Denn während des Schwimmens wird Emilia erneut von einer Vision heimgesucht und verliert das Bewusstsein.
 Auch wenn sie Maximilian gegenüber misstrauisch ist, so ist Emilia erfreut über die Einladung zur Auslese der Schülerinnen und Schüler für das Palaestra Viatorum. Ihre Eltern, wie man erfährt ihre Adoptiveltern, besonders ihre Mutter, sind davon nicht begeistert, lassen ihre große Tochter jedoch schließlich gehen. Schon in der Einführungswoche erfährt Emilia, warum. Ihre leiblichen Eltern sind eng mit dem Internat verbunden, an der Schule nennt man sie sofort bei ihrem Geburtsnamen, di Fiori. Emilia lernt, ihre Visionen einzuschätzen und ebenfalls durch Bilder zu reisen. Sie lernt Kronos und Hora, Götter aus einer längst vergangenen Zeit, kennen, die mutige Kit, ein energisches Mädchen mit lila Haaren, findet heraus dass ihr Klassenkamerad Florian, der ebenfalls zur Auswahl ins Internat geladen wurde, ein begnadeter Künstler ist, lernt den fehlgeleiteten Logan kennen, zu dem sie sich ebenso stark hingezogen fühlt wie zu Maximilian, und der auch in ihren Visionen auftaucht, und schnell muss sie lernen, dass es nicht einfach ist auf einer Seite zu stehen wenn doch jeder Fingerstreich und jede Entscheidung die Zukunft verändern kann. Als Auserwählte, die die Zukunft maßgeblich beeinflussen kann, ist sie mit einer großen Verantwortung beladen und muss im richtigen Moment die richtige Entscheidung treffen. Doch was ist die richtige Entscheidung?
 Ähnlich wie die Twilight-Reihe von Stephenie Meyer, die Rubinrot-Reihe und die Silber-Reihe von Kerstin Gier, die Reckless-Bände von Cornelia Funke oder auch die Zwischen den Welten-triologie von Laini Taylor hat auch dieser Roman Suchtfaktor. Es gelingt nur schwer, die Geschichte wegzulegen und sich dem Alltag zuzuwenden. Die leicht verständliche Jugendsprache, mit einer Prise zu viel Umgangssprache vielleicht, lässt sich gut und einfach erfassen und damit schnell lesen, ohne dass Inhalte und Emotionen an einem vorübergehen. Denn Emotionen löst das Buch haufenweise, um auch hier Umgangssprache zu wählen, aus. Gerade deshalb steht es den genannten Werken für meine Begriffe in nichts nach. Angelehnt an die große Fantasy-Romane, eine magische Schule spielt eine große Rolle wie bei Harry Potter, die Heldin mag Herr der Ringe was sich in der Wahl ihres Handy-Klingeltons zeigt, gelingt es der Autorin, die Leserinnen – da es sich um eine Heldin handelt werden, wie bei Stephenie Meyer und Kerstin Gier vornehmlich Mädchen angesprochen – in den Bann der Geschichte zu ziehen.
 Natürlich dürfen neben der Entscheidung zwischen Gut und Böse, Richtig und Falsch, sowie verschiedenen Motiven sich für oder gegen eine Sache auszusprechen, die obligatorischen wenn auch tragischen Romanzen nicht fehlen. Konfliktgeladen wie diese auch sein können, gespickt mit Vertrauensbruch, Verrat und vermeintlich egoistischen Entscheidungen, aber auch Angst, den anderen zu verletzten oder gar zu verlieren. Emilia steht sogar vor der Entscheidung zwischen zwei Männern, zu denen sie sich hingezogen fühlt.
 Das Motiv der Freundschaft wird ebenfalls in all seinen Facetten beleuchtet. Die besten Freunde Niccolo und Maximilan arbeiten plötzlich an unterschiedlichen Zielen, haben sich voneinander entfernt und bekämpfen sich. Emilia findet in Kit und Florian Freunde fürs Leben, die ihre Schwächen durch ihre Eigenschaften ausgleichen und somit wichtige Handlungsträger werden. Gleichzeitig verliert sie jedoch ihre beste Freundin Sophie aus der nicht-magischen Welt.
 Familie spielt eine weitere große Rolle. Emilia, mit italienischem Teint, liebt ihre blonde Adoptivfamilie und ihre kleine schwester Anna über alles. Ihren leiblichen Eltern Mia und Francesco gegenüber empfindet sie zunächst nichts. Maximilian verliert seine Familie gleich zweimal.
 Allerlei fantastisches gilt es im Roman ebenfalls zu erfahren, das Reisen mittels Bildern ist nicht das Einzige, worüber die Leser staunen werden und das sie sich auch für die reale Welt wünschen könnten. Auf diese werden alle Bereiche bedient, die einen fesselnden Fantasy-Roman für Teenager-Leserinnen ausmachen. Erfrischend ist, dass auch hier Filme, Musik und Ereignisse des 21. Jahrhunderts aufgegriffen werden. Also Dinge, die die Lesenden aus ihrem Alltag kennen und für die sie sich interessieren.