Rezension

Faszinierend und unglaublich ideenreich, jedoch mit einigen Schwächen

Sumerland: Prinz Zazamael - Johannes Ulbricht

Sumerland: Prinz Zazamael
von Johannes Ulbricht

Bewertet mit 3 Sternen

Achtung!
Hierbei handelt sich sich um den zweiten Band einer Reihe, weshalb die Inhaltsangabe eine Menge über den Ausgang von Band 1 verrät. Auch würde ich nicht empfehlen, die Inhaltsangabe des Verlages zu Band 1 oder 2 zu lesen, da diese so ziemlich das gesamte Buch bis fast bis zum Ende zusammenfasst.

Inhalt

Nachdem Prinzessin Serisada beinahe bei einem weiteren gescheiterten Versuch der großen Fusion umgekommen wäre, findet sie sich nun in einer Ebene am unteren Ende des Stadttrichters von Waylhaghiri wieder, bei den Nobodys - Menschen, die aus der zentralen Datenbank geflogen sind und nun für das System nicht mehr existieren. Von hieraus muss sie sich wieder hocharbeiten, um die geplante Revolution auszulösen.

Auch Susannes Geschichte geht weiter, denn die Rivalität mit der Bande des schieläugigen Anführers spitzt sich zu und ihre beiden Spiele drohen, sich auf seltsame Art zu verbinden.

Die namenlose Ich-Erzählerin hat derweil einen großen Fisch an der Angel ihrer neuen Firma, doch der scheint vor allem an ihren Ideen und wenig an einer richtigen Zusammenarbeit interessiert.

Meinung

„Prinz Zazamael“ ist der zweite Band der Sumerland-Reihe und schließt so nahtlos an seinen Vorgänger an, dass man auch beide hintereinander als ein einzelnes Buch lesen könnte. Es setzt alle vier Handlungsstränge des ersten Bandes fort, kann sie jedoch meiner Meinung nach nicht völlig zufriedenstellend auflösen.

Wie bereits der erste Band beeindruckt auch dieses Buch durch seine Komplexität.
Dass alle vier Handlungsstränge auf eine gewisse Art zusammenhängen, wird hier noch deutlicher, was die Geschichte noch geheimnisvoller wirken lässt.
Allerdings werden einige Fragen, die bei mir bereits im ersten Band aufkamen, nie wirklich geklärt, beispielsweise ob Susanne nun Waylhaghiri und das Sumerland während des Spiels der Kinderbanden erfunden hat, und falls nicht, wie ihre Geschichte dann solche Parallelen zu der Welt aufweisen kann, die die namenlose Protagonistin, ihre Tante, sehen kann.
Überraschenderweise spielt auch Andi, mit dem die namenlose Figur noch immer ständig spricht, eine große Rolle, doch auch der Konflikt der beiden wird meiner Meinung nach nicht zufriedenstellend beendet, da vor allem ein großes Thema nicht so richtig berührt wird.
Auch die Geschichte von Serisada und Zazamael endet, jedoch für meinen Geschmack zu abrupt, dafür aber mit einer überraschenden kleinen Wendung am Ende, die mir gut gefallen hat. Auch wieso Zazamael eigentlich von Serisada, die er überhaupt nicht kennt, so fasziniert ist, ist mir nie ganz klar geworden.

Am meisten Gefallen habe ich in diesem Band an der Geschichte von Serisada gefunden, die sich in Waylhaghiri von ganz unten wieder hocharbeiten und eine Revolution auslösen möchte und dabei allen möglichen aberwitzigen Gestalten und Aufgaben begegnet. Noch immer erinnerte mich dieser Teil der Reihe ein wenig an „Alice im Wunderland“, nur auf modernere Weise.
Die „Naturgesetze“ von Waylhaghiri und auch die Menschen, denen Serisada begegnet, regen weiterhin zum Denken an, da sie eine Art Spiegel unserer Welt zu sein scheinen, der uns so einige Absurditäten unseres Alltags vor Augen hält. So gibt es beispielsweise die Heisenbergsche Unschärferelation der Ästhetik, die besagt, dass je näher man der Perfektion zu kommen versucht, man immer mehr Fehler entdeckt, die es auszugleichen gilt, sodass man das Ziel letztendlich nie erreichen wird. In gewisser Weise kam mir das bekannt vor, ähnlich wie die Feedbackstarre, die entsteht, wenn man so sehr damit beschäftigt ist, auf die Reaktionen und die Anerkennung anderer zu warten, dass man mit der eigentlichen Tätigkeit nicht mehr vorankommt. Hier gilt es sowohl, Johannes Ulbrichts Ideenreichtum zu loben, als auch die Aufmerksamkeit, mit der er gesellschaftliche und wirtschaftliche Dynamiken beobachtet haben muss, um auf solche Ideen zu kommen.

Serisada war mir als Figur jedoch zu inkonsistent. Mal ist sie völlig gefangen im Sog von Waylhaghiri, dann auf einmal will sie unbedingt eine Revolution anzetteln. Mal wirkt sie naiv und kindlich, kurz darauf plötzlich mörderisch aggressiv (was durch die Natur der Sumerländer*innen bedingt zu sein scheint, welche jedoch nie wirklich erklärt wird). Aus ihr und ihrem Charakter wurde ich nie so ganz schlau, was leider auch dazu führte, dass sie mir nicht unbedingt sympathisch war.

Die anderen Handlungsstränge zogen sich für mich diesmal leider etwas. Susanne kommt mit ihrer Geschichte nur allmählich auf den Punkt, was vor allem deshalb enttäuschend ist, weil die drängendste Frage ihres Handlungsteils nicht beantwortet wird. In diesem Teil verhält sie sich etwas kindlicher und wirkt etwas menschlicher, doch noch immer denkt sie erstaunlich komplex und seltsam für ein Kind.
In Zazamaels Abschnitt passiert im Vergleich zum ersten Band ziemlich wenig, was auch ihn als Figur in den Hintergrund treten lässt, obwohl ich seine Darstellung noch immer konsequenter finde als die Serisadas.
Die namenlose Frau ging mir auch in diesem Band wieder auf die Nerven, auch wenn ich davon ausgehe, dass sie darauf angelegt ist, unsympathisch zu sein. Ihre Geschichte dreht sich hauptsächlich um wirtschaftliche und arbeitstechnische Ereignisse, die mich persönlich nicht wirklich interessiert haben, und ihre Rolle im ganzen Buch hat sich mir noch immer nicht in Gänze erschlossen. Gegen Ende gibt es eine interessante Überraschung in ihrer Geschichte, die jedoch für mich absolut nicht befriedigend gelöst wurde.

Fazit

Wie bereits bei Band 1, an den dieser hier nahtlos anschließt, muss ich Johannes Ulbrichts Ideenreichtum, die komplexe Handlung und die vielen spannenden Ideen, die ein Spiegel unserer Gesellschaft sind, loben. Leider verlieren drei der vier Handlungsstränge in diesem Buch deutlich an Tempo und einige wichtige Fragen werden meiner Meinung nach nicht ausreichend geklärt.
Dennoch eine spannende Reihe und gute Lektüre für Freunde ungewöhnlicher Fantasy- und Science Fiction-Romane.