Rezension

Faszinierende Fantasygeschichte

Die Mechanik des Herzens - Mathias Malzieu

Die Mechanik des Herzens
von Mathias Malzieu

Bewertet mit 5 Sternen

Darum gehts:

Am 16. April 1874 hat eine unnatürliche Kälte Edinburgh fest im Griff. Es ist der Tag, an dem ich auf die Welt komme. Das Erste, was ich sehe, ist Doktor Madeleine – eine Hebamme mit einer besonderen Leidenschaft: Sie repariert Leute. Sie tastet meine winzige Brust ab und wirkt beunruhigt: »Sein Herz ist hart, ich fürchte, es ist gefroren.« Sie stöbert auf einem Regal herum und nimmt verschiedene Uhren zur Hand. »Diese hier!«, ruft sie plötzlich freudig und streicht zärtlich über eine alte Kuckucksuhr. Madeleine setzt mir die Uhr vorsichtig ein und zieht sie auf. »Tick, tack«, macht die Uhr. »Bubumm«, antwortet mein Herz. Ticktack. Bubumm. Ticktack. Bubumm. Jeden Morgen muss jetzt meine Uhr aufgezogen werden, sonst hat endgültig mein letztes Stündlein geschlagen. Und noch etwas muss ich bedenken: ich darf mich niemals verlieben, sonst könnte mein Uhrwerk verrückt spielen.

Mein Eindruck:

Jack, der Hauptcharakter der Geschichte, erzählt diese als allwissender Erzähler vom Tag seiner Geburt an. So lernen wir seine Ziehmutter Madeleine kennen, eine Hebamme, die gerne Leute repariert. Auch Jack ist "kaputt", denn in der Nacht seiner Geburt ist es so kalt, dass sein Herz bei der Geburt gefroren ist. Madeleine setzt ihm stattdessen eine Kuckucksuhr ein, die in am Leben hält.
Fortan muss diese Uhr jeden Tag aufgezogen werden. Außerdem ist sie sehr empfindlich gegenüber Stimmungsschwankungen, weshalb ihm von Madeleine verboten wird, wütend zu werden oder sich zu verlieben.
Als er zehn Jahre alt ist, nimmt Madeleine ihn mit in die Stadt, wo er zum ersten Mal der kleinen Tänzerin Miss Acacia begegnet, die wunderschön singen kann, aber sehr kurzsichtig ist. Er verliebt sich auf der Stelle in sie. Um sie wiederzusehen geht er fortan sogar auf die Schule, die sie angeblich besucht. Sie ist leider nicht mehr dort, sondern zurück in Granada, ihrem Heimatort. Dafür begegnet er aber Joe, der ebenfalls in Acacia verliebt ist und in Jack fortan seinen Erzrivalen sieht. 
Mit 14 reist Jack  nach Granada, um Acacia wiederzufinden, doch auch Joe hat sich schon auf die Suche nach ihr gemacht. Beide versuchen nun, das Herz der kleinen Tänzerin zu erobern... 
Oh, was hab ich Joe beim Lesen gehasst, er war die ganze Zeit so gemein zu Jack. Dann folgt er ihm auch noch durch halb Europa, um sein gerade gefundenes Glück zu zerstören! Ich habe die ganze Zeit mitgefiebert, wie es ausgeht in dieser Dreiecksgeschichte.
Miss Acacia, die dritte im Bunde, ist eine faszinierende Persönlichkeit, was aber auch daran liegt, dass man sie als Leser die ganze Zeit durch Jacks rosarote Brille sieht. Insbesondere ihr kleiner Makel, die Kurzsichtigkeit, macht sie so liebenswert. Und leider scheint sie in der Liebe ein wenig wankelmütiger zu sein als Jack...
Auch die Nebencharaktere waren gut gewählt: Die schrullige Madeleine, die den kaputten Jack von Anfang an in ihr Herz schliesst, der alte Arthur mit dem quietschenden Rückgrat aus Metall, sowie der unglücklich verliebte Filmemacher Méliès, der eine Reise zum Mond drehen möchte und den manche von euch vielleicht aus dem Film "Hugo Cabret" kennen komplettieren diese fantastische Geschichte endgültig.
Mathias Malzieus Debutroman ist eine riesengroße Wunderkiste voller neuer Metaphern und kreativer Ideen. Die Sprache war so bildlich, dass das Buch wie ein Film vor meinem geistigen Auge ablief. Man ist beim Lesen von der ersten Seite an sofort gefesselt. Wenn sie dann zuende ist, ist man traurig, das man nicht noch mehr Zeit in dieser faszinierenden Geschichte verbringen darf.

Ich hoffe, wir dürfen noch weitere Romane von ihm erwarten.