Rezension

Faszinierender Einblick in das Leben der Flüchtlinge

Die Gestrandete - Alexander Maksik

Die Gestrandete
von Alexander Maksik

Bewertet mit 3 Sternen

"Mehr Almosen. Was konnte die Frau in ihrem Gesicht sehen, was Jacqueline in der Toilette selbst nicht gesehen hatte? Sie musste es herausfinden, damit sie es verändern konnte. Es sei denn, es war einfach ihre Hautfarbe und ganz und gar nichts Verstecktes, Geheimnisvolles. War schwarz zu sein auf dieser Insel gleichbedeutend damit, ein Flüchtling zu sein?"

Jacqueline ist eine Gestrandete. Heimatlos, sprachlos. Sie ist 23 Jahre alt und aus ihrem afrikanischen Geburtsland geflohen. Nun kämpft sie an einem griechischen Strand ums Überleben. Tagsüber versucht sie, unter den Touristen nicht aufzufallen, nachts wäscht sie sich im Meer. Sie trägt nur ihre Kleidung und Erinnerungen bei sich. Mehr nicht. Doch über das Erlebte kann sie nicht sprechen. Bis ihr eines Tages eine Griechin Essen anbietet. Jacqueline beginnt zu erzählen – von ihrer Familie, ihrem Land, ihrer Flucht. Und davon, dass Erinnerungen, Erlebnisse und Überleben oft keinen Platz für Hoffnung lassen.

 

Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich auf das Buch vielleicht niemals aufmerksam geworden wäre, wenn die liebe Vertreterin auf dem Verlagsabend von Droemer nicht so voller Herzblut von dem Buch erzählt hätte. Das Cover ist zwar hübsch, aber nicht unbedingt ein Hingucker zwischen all den bunten Sommerlektüren, die sich da in den Regalen bereits tummeln. Dennoch ist es passend zur Thematik. Ein Thema, bei dem man auf den ersten Blick vielleicht denkt: „Bitte nicht schon wieder sowas politisches. Über Flüchtlinge höre ich im Fernsehen doch wirklich genug.“ Aber genau so ist es nicht. Was man im Fernsehen hört oder in der Zeitung liest, das sind meistens trockene Berichte darüber, wie schlimm alles für uns ist, weil die Flüchtlinge da sind und immer mehr kommen. Dieses Buch beleuchtet allerdings die Geschichte eines solchen Flüchtlings. Zwar ist es kein biographischer Roman, doch das Schicksal der Protagonistin steht stellvertretend für so viele andere Menschen. Jacqueline ist jünger als ich und musste doch schon so viel mehr durchmachen. Natürlich geht es um schreckliche Dinge, die sie erlebt hat und auch um die Politik, die dahinter steht und den Menschen nicht hilft, aber man bekommt einen vollkommen anderen Einblick. Einen Einblick, der einen zum Grübeln bringt und noch weit über das Buch hinaus Wirkung hat.

Der Leser wird einfach mitten in die Geschichte der Protagonistin geworfen. Sie hat es bereits bis nach Griechenland geschafft. Etwas, das nicht jeder Flüchtling aus Afrika schafft. An einigen Stellen erhält man einen Einblick, wenn sich Jacqueline an die Schiffsfahrt erinnert und wie viele auf dem Weg gestorben sind, immerhin nicht von den Feinden im eigenen Land getötet, aber doch auf der Flucht gestorben ohne je die Freiheit gekannt zu haben. Anfangs empfand ich diese Art und Weise des Erzählens etwas schwierig, weil man sich so viel zusammenreimen musste, doch am Ende ergab alles einen Sinn und fügte sich zusammen und hat für mich auch den Reiz ausgemacht das Buch bis zum Ende zu lesen.

Ein weiterer Punkt am Schreibstil, der es mir etwas schwer gemacht hat, ist der Glaube der Protagonistin und ihre Erinnerungen. An vielen Stellen spricht sie mit ihrer Mutter, als wäre diese noch da und würde wirklich mit ihr reden. Sie erinnert sie immer wieder an Gott zu glauben. Es fiel mir schwer mir das vorzustellen, da ich glaube, dass nach all den schrecklichen Dingen, die dort durchgestanden wurden, der Glaube irgendwann einfach brechen muss. Deshalb ging mir die Mutter irgendwann einfach nur noch auf die Nerven, doch ich denke, dass das wirklich eine sehr subjektive Empfindung ist. Allerdings geriet die Handlung in Griechenland dadurch natürlich immer wieder etwas ins Stocken.

Der Autor ist dafür an die schrecklichen Ereignisse, die seine Protagonistin durchgestanden hat, sehr gefühlvoll herangegangen und findet genau den richtigen Mittelweg zwischen sachlicher Beschreibung und zu großem Abstand von den Ereignissen. Es wirkt zu keinem Zeitpunkt konstruiert oder künstlich dramatisiert. Jacqueline musste schreckliches durchstehen und doch vielleicht nicht alles auf einmal. Oft habe ich bei solchen Geschichten von Leid und Schmerz das Gefühl, dass man zu viel Kummer und Leid in einen Charakter packen wollte, doch in diesem Fall ist alles stimmig. Auch hat die Protagonisten ihre Schwächen und bricht immer wieder unter der Last der Ereignisse zusammen. Sie reagiert menschlich und das ist in einem solchen Roman vielleicht noch wichtiger als sonst.

Mir fehlten in dem Buch eindeutig Kapitel. Es ist schwer in der Handlung zu bleiben, die immer wieder durch die inneren Gespräche mit der Mutter unterbrochen wird, wenn man das Buch zwischendurch weglegen muss. Es gibt einige Große Abschnitte, die eigenständig betitelt sind und dann noch die kleinen Gedankenstriche, die einzelne Zeitpunkte der Geschichte trennen, doch oft fand ich diese Abbrüche an den Punkten eher verwirrend als hilfreich. Ich hätte mir Kapiteleinteilungen gewünscht, doch was das angeht bin ich ja ohnehin etwas eigen.

 

Mit „Die Gestrandete“ hat sich Alexander Maksik getraut eine Thematik zum Teil seines Romans zu machen, die aktueller nicht sein könnte und die das Potential hat vielen Menschen die Augen für das zu öffnen, was die Flüchtlinge, die täglich in unser Land kommen, alles schon durchgemacht haben. Er beschreibt die Ohnmacht, die Angst, die Hoffnungslosigkeit und auch das Versagen der Staaten und der Menschen, die in ihnen leben. Auf höchst gefühlvolle Art erzählt er das Leiden einer jungen Frau, die nichts mehr besitzt, nicht einmal mehr Hoffnung und die dennoch weiter lebt. Auch wenn ich am Ende nur drei Blumen vergebe, weil ich meine Probleme mit dem Schreibstil hatte, empfehle ich wirklich jedem dieses Buch zu lesen. Es verändert die eigene Sicht auf die Dinge in so vielerlei Hinsicht.

Aussehen: ♥♥♥♥

Spannung: ♥♥♥

Schlüssigkeit: ♥♥♥♥♥

Emotionale Tiefe: ♥♥♥♥♥

Schreibstil: ♥♥♥♥