Rezension

Feierlichkeit des Erzählens

Pirasol - Susan Kreller

Pirasol
von Susan Kreller

Bewertet mit 4.5 Sternen

~Pirasol ist der Name der Villa, in der die 84jährige Gwendoline Suhr und die einige Jahre jüngere Thea Hartwig seit langen gemeinsam leben. Diese Villa kann eine Festung sein, aber auch zum Gefängnis werden.

Dem Buch ist ein Zitat der großartigen Dichterin Hilde Domin vorangestellt. Das deutet schon auf den hohen Ton des Romans hin, dem auch ein gewisse Pathos inne ist. Das ist nicht negativ gemeint, den daraus entsteht eine Feierlichkeit des Erzählens. Ein Stil, der sich vom Einheitsbrei der meisten zeitgenössischen Literatur abhebt, auch wenn er altmodisch wirken kann.

Auffällig auch die Erzählstruktur. Die Autorin setzt sinnvoll Zeitsprünge ein.
Gwendolines Erinnerungen reichen zurück in die Zeit, als ihr Vater in der schlimmen Zeit verhaftet und nach Sachsenhausen verbracht wurde, die Jahre ihrer unglücklichen Ehe mit dem besitzergreifenden Willem und ihrem Sohn.
Gegen den Jungen war Willem sogar gewalttätig. Das Gefühl, ihr Kind nicht beschützen zu können, ist für Gwendoline die schlimmste Qual.
Diese Szenen vermögen zu berühren, da die Autorin sie sehr sensibel und mit Detailgenauigkeit schildert.

Gwendoline musste harte Zeiten durchmachen. Auch die Jahre nach dem Krieg waren nicht leicht, das Eheleben mit dem älteren, sadistischen Mann war eine Qual.
Schlimm, dass selbst nach Willems Tod mit Thea sich noch so ein Parasit bei ihr einnistet. Aber da steckt noch etwas anderes dahinter.

Sprachlich ist der Roman feinfühlig gemacht. Es gibt zahlreiche Sätze, die bemerkenswert sind.
Manchmal ist das geschilderte für den Leser nicht einfach zu ertragen, aber es ist ein wichtiges Buch.

Susan Kreller schafft eine Sprache, die angemessen ist, den gepeinigten der Welt, die sich selbst nicht äußern können, eine Stimme zu geben.
Das halte ich für eine große Leistung.

Kommentare

LySch kommentierte am 24. August 2017 um 15:35

Das ist eine runde, aussagekräftige Rezi! Das Buch hatte ich eh schon auf dem Schirm, aber nun bin ich wirklich neugierig! :) Und ich glaube, die Sprache könnte mir sehr gefallen...

Steve Kaminski kommentierte am 02. September 2017 um 00:21

Marsupij ist auch ganz begeistert...

wandagreen kommentierte am 02. September 2017 um 07:51

Was ist denn ein hoher Ton in einem Roman? Das hohe C? Zeitsprünge sind nun auch gar nicht so ungewöhnlich in einem Roman, mir sind schon welche begegnet ;-). Flachserei beiseite: man spürt, dass dich der Roman erreicht hat und die Geschichte dir unter die Haut ging: das ist das Wichtigste!