Rezension

Fesselnd

Leons Erbe - Michael Theißen

Leons Erbe
von Michael Theißen

Bewertet mit 5 Sternen

„...Vor dieser Tür fühlte ich mich wie vor einer unsichtbaren Wand, die ich nicht durchbrechen konnte...“

 

Katja erlebt einen Alptraum. Ihr 16jähriger Sohn Leon wurde bei einem Autounfall mit Fahrerflucht getötet. Das ist aber schon der zweite Schicksalsschlag, denn seit einem halben Jahr ist ihre jüngere Schwester Nicole verschwunden. Der Anruf eines Notars stellt Katja vor ein weiteres Rätsel. Er zeigt ihr ein Kästchen, das er angeblich von Leon erhalten hat. Als sie es öffnet, liegt Nicoles Armband darin.

Der Autor hat einen vielschichtigen und fesselnden Thriller geschrieben. Die Geschichte wird von Leons Mutter erzählt.

Schon zu Beginn zeigt sich, dass die Eheleute völlig unterschiedlich mit dem Tod des Sohnes umgehen. Während der Vater unbedingt den Unfallfahrer finden will, interessiert die Mutter, warum und wohin ihr Sohn an dem Abend unterwegs war. Die daraus resultierenden Spannungen sorgen dafür, dass die Mutter selbst Nachforschungen anstellt.

Der Schriftstil sorgt für einen hohen Spannungsbogen. Die Geschichte verdichtet sich von Kapitel zu Kapitel mehr. Das liegt an den unterschiedlichen Signalen, die die Mutter bei ihren Gesprächen empfängt. Mit wem sie auch spricht, jede hat Leon anders wahrgenommen. Hinzu kommt, dass sie sich permanent beobachtet fühlt. Von besonderer Brisanz ist, die Mutter Dinge über ihren Sohn erfährt, die ihr völlig unverständlich sind. Sehr gut werden die Emotionen der Ich-Erzählerin wiedergegeben. Ihre Angst, ihre Unsicherheit, ihre Fluchtgedanken in die häusliche Abgeschlossenheit, aber auch ihr Bestreben, nicht aufzugeben, durchziehen permanent die Geschichte. Obiges Zitat steht für die Trauer der Mutter. Sie äußert es vor Leons Zimmertür. Emotional geschickt werden die Gespräche in der Familie gestaltet. Es ist mehr ein Nebeneinander als ein Miteinander. Gekonnt werden vom Autor falsche Spuren gelegt. Zeitweise scheint fast jeder verdächtig zu sein. Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick wirkt.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Dazu hat nicht zuletzt das überraschende Ende beigetragen.