Rezension

Fesselnd aber doch recht einseitig

Es wird keine Helden geben - Anna Seidl

Es wird keine Helden geben
von Anna Seidl

Bewertet mit 3.5 Sternen

Amoklauf in Schulen ist und bleibt ein sehr aktuellen Thema und deswegen war ich sehr gespannt, wie eine 16jährige dieses Thema umsetzt. Wer sollte besser den Blick aus Teenageraugen beschreiben können, als ein Teenager selbst?
Das Alter der Autorin ist dann aber letztendlich Fluch und Segen zugleich.

Zuerst einmal muß ich sagen, daß mich gerade der Anfang des Buches absolut in den Bann gezogen hat. Man ist mitten im Geschehen und fiebert mit Miriam mit, wie sie mit ihrer Freundin auf dem Jungenklo sitzt und Angst um ihr Leben hat. Die Gefühle, die Angst, diese furchtbare Situation und das kommende Geschehen sind grausam und mitreißend zugleich – nur leider gerade mal 11 Seiten lang. Der Rest des Buches handelt nur noch von Miriam und ihrer Verarbeitung des Geschehenen und das ist mir ehrlich gesagt zu einseitig. Natürlich kann und soll man die Tat eines Amokläufers nicht schön reden, aber das Thema Mobbing hätte meiner Meinung nach viel mehr Raum in dem Buch einnehmen sollen. Zwar reflektiert Miriam schon ein wenig, daß sie nicht ganz so unschuldig an der Entwicklung des Amokläufers war, aber das läuft eher am Rande nebenher und geht mir einfach nicht tief genug. Auch entsprechende Reue bzw. überhaupt wirkliche Klarheit über das, was Miriam und ihr Freund Tobi mit seiner Clique dem Amokläufer alles angetan haben sind nur bedingt vorhanden.

So verblieb der Rest des Buches lediglich mit Miriams Verarbeitung des schlimmen Tages, was sich leider gerade zum Schluß mächtig in die Länge zog. Bis zur Hälfte des Buches fand ich das zwar noch sehr interessant, aber irgendwann gab es einen gefühlten Schnitt, bei dem ich mehrfach dachte, daß es jetzt dann aber auch mal reicht. Natürlich empfindet ein Jugendlicher anders als ein Erwachsener, aber daß gerade die Erwachsenen so wenig eingegriffen haben und Miriam im Prinzip machen konnte was sie wollte, empfand ich teilweise als sehr nervig.

Ich hätte mir zusätzlich noch ein Medienecho gewünscht, wie der Amokläufer bei der Geschichte weg kommt und wer er überhaupt war. Beschrieben wird er ja nur aus Miriams Sichtweise. Auch mehr Informationen von Miriams Umfeld, den Freunden, Mitschülern und auch wie die Familie des Amokläufers damit umgeht wären schön gewesen und hätten die Geschichte vielseitiger gemacht. Selbst Miriams eigene Verletzung wird am Anfang nur kurz erwähnt und ist dann kein Thema mehr.

Prinzipiell ziehe ich meinen Hut davor, daß ein so junger Mensch einen solchen Roman geschrieben hat – wenn es nur danach ginge, würde ich hier auch locker 5 Sterne vergeben. Der Inhalt und Lesespaß ist aber im Endeffekt das Entscheidende an einem Buch und das hat mich leider nicht gänzlich überzeugen können.

Fazit: Zwar einerseits fesselnde aber leider doch recht einseite Verarbeitung eines Amoklaufs aus Teenagersicht