Rezension

fesselnd und beklemmend

Korrosion - Peter Beck

Korrosion
von Peter Beck

Bewertet mit 5 Sternen

„...Mit der Luft musste er sparsam sein. Er zwang sich, ruhig zu atmen und den Puls zu kontrollieren. Er war müde, und es war schön warm...“

 

Die Geschichte beginnt kursiv mit dem Mord an einem Bäcker. Dabei schildert die gerufene Medizinerin ihre Eindrücke. Seitdem sind viele Jahre vergangen. Tom Winter, Sicherheitsberater einer Bank, sucht eine alte Frau auf, die zu ihrem Termin nicht in der Bank erschienen war, und findet eine Tote. Sie wurde ermordet. Für ihren Tod hatte sie eine Verfügung hinterlassen. Das Testament darf erst geöffnet werden, wenn geklärt ist, welches ihrer Kinder am Tode des Ehemannes Schuld war. Damit schließt sich der Kreis zum Prolog. Allerdings war der Sohn damals 5 Jahre alt, die Töchter 12 und 14.

Der Autor hat einen fesselnden und abwechslungsreichen Thriller geschrieben. Die Geschichte besticht nicht nur durch den gleichmäßig hohen Spannungsbogen, sondern auch durch den ausgefeilten Schriftstil. Das Buch hat mich schnell in seinen Bann gezogen. Kurze Kapitel und schnell wechselnde Handlungsorte sorgen für den hohen Spannungsbogen.

Tom Winter lerne ich als Leser kennen, als er eine Piste herabfährt und infolge der Unachtsamkeit von Snowboardern unter eine Lawine gerät. Obiges Zitat beschreibt einen Moment, wo er im Schnee begraben ist. Die Diskrepanz zwischen Lebenswille und nachlassenden Kräften kommt sehr gut zum Ausdruck. Während des weiteren Geschehens trägt Tom eine Metallschiene am Arm. Sie wird für die Handlung nicht unwichtig sein. Tom wird gut charakterisiert. Wenn er sich in einen Fall verbissen hat, ist er nicht aufzuhalten. Er hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Seit dem Unfalltod seiner Freundin Anna lebt er mit seinem Kater zusammen.

Tom erhält den Auftrag, sich mit den Kindern der verstorbenen Frau Berger in Verbindung zu setzen. Für ihren Tod allerdings wird Obada, ein Sudanese, verantwortlich gemacht, der als Flüchtling in der Schweiz lebt und im Haus geputzt. Sein Verschwinden macht ihn schnell zum Täter.

Sehr genau werden die Emotionen der Protagonisten beschrieben. Häufig spielt Trauer eine Rolle, die nicht nur in Worten, sondern auch in Taten dargestellt wird.

Tom Winter trifft Frau Bergers Kinder in völlig unterschiedlichen Verhältnissen an. Er muss erkennen, dass er eine zerrüttete Familie vor sich hat. Nicht ohne Grund lebte Frau Berger allein.

Als besonderes Stilmittel fügt der Autor zwischendurch kurze kursive Abschnitte ein, die Tijas Flucht aus den Sudan bis in die Schweiz nachzeichnen. Die detailgenaue Beschreibung macht betroffen, denn sie zeigt, dass jeder, der die Möglichkeit hat, an den Flüchtlingen verdient. Ihr Leben dagegen ist keinen Pfifferling wert. Sehr exakt werden die Handlungsorte dargestellt. Der Autor versteht das Spiel mit passenden Metaphern. So führt er mich an einen Vulkankrater auf die Azoren, in ein Armutsviertel Londons und in eine Villa in Nürnberg. Immer wieder kreuzt sein Weg den von Obada, der früher Tija hieß und jetzt mit Drogen handelt. Gekonnt werden rasante Verfolgungsszenen, aber auch spannende Kampfsequenzen dargestellt. Nur Toms Chef ist mit dem Vorgehen seines Sicherheitsberaters nicht glücklich. Er setzt auf eine schnelle Lösung, will den Testamentsfall vom Tisch und das Vermögen der Frau Berger möglichst weiter im Tresor haben.

Die Handlung widmet sich an vielen Stellen den dunklen Seiten des Lebens. Jeder der Betroffenen hat auf irgendeine Weise Dreck am Stecken. Hinzu kommen die Mauscheleien in der Chefetage der Bank. Auch sie sind nicht von feiner Art.

Das Cover mit dem rostigen Eisen in verschiedenen Farben ist ein Sinnbild des Zerfalls.

Der Thriller hat mir ausgezeichnet gefallen. Er spiegelt unsere Wirklichkeit wider. Das betrifft insbesondere die Beschreibung der Flucht, aber auch den Wertezerfall im Kleinen wie im Großen.