Rezension

Fesselnd und verwirrend

Lady Orakel - Margaret Atwood

Lady Orakel
von Margaret Atwood

Bewertet mit 4 Sternen

Oje oje, dieses Buch hat mich wirklich einigermaßen verwirrt zurück gelassen. Wieder mal will hier der Klappentext nicht recht (das heißt: gar nicht) zum Inhalt passen, aber den Inhalt von Lady Orakel beschreiben zu wollen, ist an sich schon eine Leistung... Eigentlich geht es um das Leben von Joan. Wir treffen sie offenbar nach einer Flucht. Vor wem oder was ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz klar. Im Rückblicken wird dann von ihren Kindheit erzählt, vom Erwachsenweden und all den Verkettungen von Umständen, die sie an den Punkt gebracht haben, an dem der Roman beginnt.

Wie immer gefiel mir Atwoods Scheibstil ausgesprochen gut. Vieles, was in Joans Leben – besonders in ihrer Kindheit und Jugend – passiert ist traurig. Ein abwesender Vater, eine lieblose Mutter, keine Freunde, viel Einsamkeit und später eine Fassade aus Fett und Freundlichkeit. Trotz allem was Joan passiert, hat der Roman einen durchweg witzigen Ton. Dafür sorgen Joans Naivität und ihr abgeklärter Umgang damit. Leiser trockener Humor und die Situationen an sich. Es ist nie lächerlich, gewollt lustig oder slapstickmäßig, nein es trägt einfach ein leicht schmunzelnder Ton durch die ganze Geschichte.

Was vielleicht nicht jedermanns Sache ist, ist, dass die Geschichte gerade zum Ende hin stellenweise ins Übernatürliche abdriftet. Da sind zum Beispiel der Astralleib von Janes Mutter dem wir hin und wieder begegnen oder das „automatiche Schreiben“ bei dem die Hand des Schreibers aus einer anderen Sphäre geführt wird. Und wer meint, dass das irgendwie aufgeklärt wird, täuscht sich. Das ist der Punkt, der mir selbst auch nicht zu einhundert Prozent gefallen hat. Atwood macht einige Fässer auf aber am Ende hat man das Gefühl, eben noch nicht am Ende zu sein. Allerdings hat auch das eine gewisse Konsequenz: Denn tatsächlich ist keiner der Handlungsstränge wirklich abgeschlossen. Die Absicht versöhnt mich etwas und eigentlich passt das so auch wunderbar zu Joans unstetem und heimlichtuerischen Charakter.

Gut gefallen haben mir neben Charakteren und Sprache die Auszüge aus den Trivialromanen, die Joan heimlich schreibt. Ähnlich wie bei Der Blinde Mörder schiebt Atwood hier Passagen der Romane ihrer Hauptfigur ein. Und diese kurzen Einblicke in die klischeehaften Liebesgeschichten des englischen Landadels vergangener Zeiten haben ihren ganz eigenen Reiz.

Ich kann mir ja nicht helfen: Ich finde Margaret Atwood einfach großartig. Egal ob ihre Romane mehr in Historische gehen wie Alias Grace, ob es Dystopien sind wie Der Report der Magd oder die MaddAddam-Trilogie oder Familiengeschichten wie Der blinde Mörder. Mit Lady Orakel zeigt sie ihre witzige Seite und einmal mehr, dass sie großartige Frauencharaktere zeichnen kann. Ob ich am Ende ratlos bin oder nicht – lesenswert war es auf jeden Fall.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 12. April 2018 um 21:15

Oh je, du hast mir momentan soviel Atwood voraus. Diese Autorin ist eine der wenigen, wo mir eine Lesung, auf der sie vllt auch ein wenig von sich selbst erzählt, sehr zusagen würde.

katzenminze kommentierte am 12. April 2018 um 22:24

Naja, hier steht jetzt nur noch Katzenauge, dann muss ich Nachschub besorgen. Du kannst also aufholen! ;) Sie könnte vielleicht auch mal eine Biografie schreiben... für uns. ^.^

wandagreen kommentierte am 12. April 2018 um 22:46

Sehr sehr gute Idee!