Rezension

Fesselnd von der ersten Seite!

Sein blutiges Projekt - Graeme Macrae Burnet

Sein blutiges Projekt
von Graeme Macrae Burnet

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Sein blutiges Projekt“ ist ein Roman aus dem Europa Verlag, der 2017 in Deutschland erschien. Der Autor verwebt hier historische Fakten, die auf seinen eigenen Familienstammbaum zurückgehen und spinnt einen Roman, der von der ersten Seite absolut fesselnd ist!

 

Worum geht es überhaupt?

 

Schottland 1869. Dies ist die Geschichte von Roderick Macrae, einem ärmlichen, schottischen Bauernjungen, der für ein vordergründig betrachtet abscheuliches Verbrechen im Gefängnis sitzt. Er soll 3 Menschen auf brutalste Weise ermordet haben. Im Gefängnis führt der 17-Jährige  Aufzeichnungen darüber, wie es zu dem Vorfall kommen konnte. Sehr wortgewandt enthüllt Roderick Macrae seine Ansicht der Dinge und präsentiert sich somit als intelligenten und reflektierten jungen Mann, was nie so recht zu seinem damaligen Status als ungebildeter Bauernjunge passen möchte. Sämtliche Aufzeichnungen sind übrigens noch heute in gutem Zustand einsichtbar.

Zusätzlich zu Rodericks eigener Schilderung, die im Übrigen 2/3 des gesamten Buches ausmacht, erhält der Leser externe Eindrücke durch Nachbarn und andere mehr oder weniger wichtige Instanzen des schottischen Dorfes. Letztendlich ist dann noch eine Mitschrift der Gerichtsverhandlung abgedruckt, bei der, so meine ich, der Autor sich jedoch großzügig auf seine schriftstellerische Freiheit berufen hat.

 

Roderick Macrae wirkt, wie bereits gesagt, anhand seiner Aufzeichnungen wie ein überdurchschnittlich intelligenter und sehr sprachbegabter junger Mann, der dafür emotional eher instabil ist. Die von ihm geschilderten Begebenheiten, die oftmals in böswillige Schikane abdriften, lassen den Leser Verständnis für sein pubertäres Gefühlschaos und vielleicht sogar Sympathie für den Protagonisten, entwickeln. Sobald die Aufzeichnungen enden, geht man sehr befangen an den Fall heran.

Bemerkenswert ist vor allem, wie sehr es dem Jungen gelungen ist, das trostlose, kalte und perspektivlose Leben eines Crafter, eines Bauernjungen, zu schildern. Die erschaffene Atmosphäre war wirklich grandios! Es herrschte permanent eine sehr düstere Grundstimmung und während des Lesens fühlte ich eine aufdringliche Beklemmung.

 

Während der Gerichtsverhandlungen waren Rodericks Aufzeichnungen nicht zulässig, zudem gab der Angeklagte nur eine kurze Stellungnahme von sich, in der er auf nicht schuldig plädierte, ansonsten saß er teilnahmslos da.

Aufgrund der Tatsache, dass der Leser schon einen sehr subjektiven Eindruck von Roderick gewinnen konnte, der im Übrigens teilweise stark mit den externen Eindrücke der Nachbarn kollidierte, gelang es mir persönlich nicht, ein eindeutiges Fazit zu bilden.

Der Roman spielt auch stark mit den Moralvorstellungen des Lesers, mit denen er regelmäßig konfrontiert wird.

Letztendlich kann ich sagen, dass „Sein blutiges Projekt“ mich stark bewegt hat und zwar in sämtlichen emotionalen Ausprägungen. Ein absolut empfehlenswerter, schockierender und nachhaltig prägender Bericht, der den Leser sehr geschickt zu manipulieren weiß.