Rezension

Fesselnde Geschichte, zum Ende hin leider etwas flach

Ausgesetzt - James W. Nichol

Ausgesetzt
von James W. Nichol

Zum Inhalt: Als der neunzehnjährige Walker sich aus der kleinen Provinzstadt Big River im Norden Kanadas auf den Weg nach Toronto macht, verschweigt er seinen Adoptiveltern seine wahren Gründe. Natürlich zieht es ihn raus aus der nordkanadischen Provinz, natürlich ist er gespannt auf das Leben in der Großstadt und bereit für neue Menschen und neue Erfahrungen – doch sein Hauptmotiv ist die Suche nach seiner leiblichen Mutter. Nur eine verschwommene Erinnerung bleibt ihm an die Frau mit den langen dunklen Haaren, die ihn als dreijährigen Jungen an einer Landstraße in Ontario verließ, mit den Worten „Halt Dich gut fest“ – und niemals zurück kehrte. Warum hatte sie ihn damals ausgesetzt? Wo war sie?  Warum wurde trotz intensiver Nachforschungen niemals ein Hinweis auf Walkers Herkunft gefunden? Und kann die alte Fotographie von zwei kleinen Mädchen vor einem Sommerhaus am See und der Brief eines Teenagers an seine beste Freundin, die damals in Walkers Tasche gefunden wurden, Licht ins Dunkel bringen?

In Toronto angekommen, verdient Walker sich seinen Lebensunterhalt als Taxifahrer. Hier lernt er schnell die hübsche und lebenslustige Krista kennen, die ihn, trotz der Tatsache, dass sie an den Rollstuhl gefesselt ist, bei seiner Suche nach der Wahrheit unterstützt. Und schon bald erfährt Walker, wer er tatsächlich sein könnte…

Eigene Meinung: Der Psychothriller von James W. Nichol ist in einem leicht zu lesenden Sprachstil geschrieben. Die Gliederung des Buchs in relativ knappe Kapitel und das häufige Wechseln der Erzählperspektive haben mir einen einfachen und angenehmen Einstieg in die Handlung erlaubt. Von Anfang an wird die Geschichte auf zwei Handlungsebenen erzählt. In der Gegenwart, im Jahre 1995, begleiten wir Walker auf der Suche nach seinen Wurzeln und bei dem Versuch, die Vergangenheit aufzudecken. Auf einer zweiten Handlungsebene, die sich vom Jahr 1969 bis in die Gegenwart erstreckt, lernt der Leser den anfangs noch sehr jungen Bobby kennen, einen verhaltensauffälligen Jungen, der zeit seines Lebens unter der Missachtung und der nicht zu erfüllenden Erwartungshaltung seines Vaters leidet. Die Figur des Bobby war für mich sehr gut beschrieben  - die Tatsache, dass er selbst Opfer seiner gestörten Beziehung zu seinem Vater ist, vermischt mit seiner ihm eigenen perfiden und bösartigen Veranlagung, war für mich sehr überzeugend und gut geschildert.

Mit dem Fortschreiten der Geschichte beginnen sich die beiden Handlungsebenen zu verbinden – der Autor entwickelt eine logisch aufgebaute und spannend erzählte Geschichte, die zwischendurch immer wieder Raum für eigene Spekulationen lässt und mich auch zwischendurch mit unerwarteten Wendungen überraschen konnte. Die ersten drei Viertel des Buches haben mir somit sehr gut gefallen und waren wirklich spannend erzählt. Den letzten Abschnitt und somit die Auflösung der Geschichte war mir dann leider teils zu konstruiert, teils zu dick aufgetragen und erschien mir auch im Vergleich zum Rest des Buches etwas einfallslos. Dafür, dass der Spannungsbogen eigentlich das ganze Buch hindurch so gut gehalten wurde, hätte ich mir einen deutlicheren „Knaller“ zum Ende gewünscht.