Rezension

Fesselnder Krimi

Bocktot - Ilona Schmidt

Bocktot
von Ilona Schmidt

Bewertet mit 5 Sternen

„...Das Geschehene mit Tabletten zu verdrängen erwies sich als unmöglich. Die Frage nach dem Warum bohrte in ihr wie ein Borkenkäfer in der Rinde eines Baumstamms, und am Ende würde die Rinde abfallen und der Baum sterben...“

 

Astrid ist Försterin in der Forstdienststelle Gleisenau. Bei ihrem heutigen Rundgang findet sie einen zerstörten Hochsitz. An dessen Fuß liegt eine mit Blut beschmutzte Mütze.

Am Abend begibt sie sich nochmals ins Revier. Ihr Mann, der Gymnasiallehrer Holger, will heute ebenfalls Wild schießen. Astrid sieht, wie er einen Rehbock trifft. Dann fällt ein zweiter Schuss.

Die Autorin hat einen spannenden und abwechslungsreichen Krimi geschrieben. Die Geschichte lässt sich zügig lesen. Das liegt auch an den kurzen Kapiteln und den verschiedenen Handlungssträngen.

Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Astrid ist nach dem Tode ihres Mannes am Boden zerstört. Doch für ihre Kinder muss sie funktionieren. Obiges Zitat gibt ihren Seelenzustand wieder, zeigt aber gleichzeitig das sprachliche Können der Autorin, die dafür passende Metapher aus dem Fachgebiet wählt, in dem der Roman spielt.

Der Fall landet bei Kriminaloberkommissar Richard Levin. Er gilt als Einzelgänger, beschäftigt sich in seiner Freizeit mit Mittelalterspielen und wurde auf Grund eines Vorkommnisses, das im Buch relativ spät thematisiert wurde, auf den Außenposten geschickt.

Als passionierter Jäger wird der Polizist Tobias Schneider zu den Ermittlungen hinzugezogen. Er freut sich, die Kripo unterstützen zu dürfen.

Die Ermittlungen gestalten sich schwierig. Holger gilt als integer, wird von allen gelobt und hatte angeblich keine Feinde. Doch schnell stellt sich heraus, dass dieses Bild nicht einmal die halbe Wahrheit beinhaltet. Die Kriminalisten gehen mehreren Spuren nach und geben mir so die Möglichkeit, mit zu denken und mit zu raten.

Der Schriftstil des Buches ist angenehm lesbar. Auch für Laien werden die notwendigen Informationen zu Jagd und Weidwerk allgemeinverständlich aufbereitet. Die Handlungsorte werden ausreichend beschrieben. Die Autorin erzählt die Geschichte abwechselnd aus der Sicht von Astrid, Richard und Tobias. Bei Richards Part führt sie mich in die Regeln und den Ablauf von Mittelaltermärkten ein. Dadurch erhalte ich als Leser häufig einen neuen Blickwinkel auf die Zusammenhänge. Gut eingebunden wird der lokale Dialekt. Das gibt dem Buch seine Authentizität. Ab und an durchzieht ein feiner Humor die Handlung.

Bald stellt sich heraus, dass es nicht nur um den Tod von Holger geht, bei dem lange Selbstmord, Unfall oder Mord im Raum stehen, sondern das noch andere Dinge im Argen liegen. Militante Tierschützer und politische Auseinandersetzungen zwischen Cogita und ihren Gegnern verschaffen der Polizei zusätzliche Arbeit. Weidling, der bisherige Chef der Kripo, geht in den Ruhestand. Seiner Nachfolgerin macht er aber erst einmal das Leben schwer. Der Autorin gelingt es, im Verlaufe der Handlung vielfältige Themen anzusprechen und ihnen einen Platz im Krimi zu geben. Dadurch wird nicht nur der Spannungsbogen hoch gehalten, sondern auch deutlich, warum die Akteure so handeln, wie sie handeln.

Das Cover mit dem Hochsitz passt zum Thema. Wie gut der Titel gewählt wurde, weiß man erst nach dem Lesen des Buches.

Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie zeigt, wie sehr der äußere Schein trügen kann. Ich werde gekonnt in die psychischen Tiefen der Protagonisten geführt.