Rezension

fesselnder Roman über aktiven und passiven Rassismus

Kleine große Schritte
von Jodi Picoult

Bewertet mit 5 Sternen

Jodi Picoult hat basierend auf einem Fall, von dem sie in der Zeitung las, die Geschichte der 44 jährigen Ruth Jefferson erdacht, einer verwitweten, alleineziehenden afroamerikanischen Hebamme und Säuglingsschwester, die seit über 20 Jahren hervorragende Arbeit in einem Krankenhaus leistet.
Als ein rechtsradikales Ehepaar ihr untersagt, ihrem neugeborenen Sohn Davis zu behandeln und auch nur zu berühren, erhält sie von den Vorgestzten eine dementsprechende Dienstanweisung. In einer problematischen Situation steht sie vor einer schwierigen Situation, denn sie muß sich entscheiden, sich dieser Dienstanweisung zu widersetzen als dieser Junge, nach einem Eingriff und der kurzen alleinigen Überwachung durch sie, aufhört zu atmen. Egal, wie sie sich entscheidet, es wird für sie negative Konsequenzen haben. So wird sie nach erfolgloser Reanimation durch das gesamte Notfallteam von Davis Eltern angezeigt und vom Krankenhaus, ihrem Arbeitgeber, als schwarzes Bauernopfer hingehängt.
Der Roman wird kapitelweise aus der Sicht der verschiedenen Betroffenen erzählt; sowohl Ruth als auch der Kindsvater Turk kommen zu Wort, berichten über ihr Leben, ihre Kämpfe, ihren Werdegang. Man liest über Ruths lebenslange Versuche einfach nicht aufzufallen, dazuzugehören, immer alles bestmöglich und gewissenhaft zu erledigen, genauso wie von Turk, wie sich sein Hass entwickelt hat, wie rekrutiert und im Untergrund gearbeitet wird und wie beide, samt ihrer Familien, die Trägödie erleben und samt Rechtsbeistand vor Gericht agieren.
Der Erzählstrang Ruths Pflichtverteidigerin Kennedy zeigt ihre Ermittlungen, die Taktik im Prozeß und ihre eigene veränderte Wahrnehmung von Rassismus, die keinesfalls immer aktiv stattfinden muß, auf. Die Beschreibungen der ehemaligen Skinheads, die ihre Bewegung verlassen haben, über ihre Erfahrungen und Hassverbrechen und die eigene Wahl und Möglichkeit, diesen Hass in Liebe zu verwandeln, berichten, machen Mut und zeigen eine mögliche Wendung auf.

Insgesamt war dieser Roman von Jodi Picoult wieder sehr spannend erzählt, das Thema äußerst vielschichtig betrachtet; man merkt ständig, wie intensiv sie vorab recherchiert und wie einfühlsam sie sich mit dem Thema auseinandergestzt hat.
Gerade die Beschreibungen der passiven, meist unbedachten oder ignorierenden Aspekte, des selber meist gar nicht wahrgenommenen Rassismus fand ich äußerst interessant; so stimmen die vielen Details beim Lesen doch sehr nachdenklich und wirken nach.