Rezension

Fiktive Autobiographie einer mutmaßlichen Spionin

Die Spionin - Paulo Coelho

Die Spionin
von Paulo Coelho

Bewertet mit 4 Sternen

 

"Ich bin eine Frau, die im falschen Jahrhundert geboren wurde. Ich weiß nicht, ob sich in der Zukunft jemand an mich erinnern wird, aber wenn doch, dann möchte ich nicht als Opfer gesehen werden, sondern als Frau, die mutig ihren Weg gegangen ist und furchtlos den Preis dafür gezahlt hat." (Zitat S. 24)

 

Mata Hari: exotische Tänzerin, Mätresse einflussreicher Männer - Spionin? Als ebendiese beschuldigt und zum Tode verurteilt nutzt Mata Hari die wenige, ihr verbleibende Zeit bis zur Hinrichtung, um in einem Brief an ihren Anwalt ein Résumé über ihr bisheriges Leben zu ziehen. So beschreibt die im niederländischen Leeuwarden als Margaretha Zelle geborene Mata Hari, wie sie bereits als junge Frau nach Höherem strebte und dem Kleinstadtmief durch die Heirat eines Offiziers zu entkommen versuchte. Doch auch das anschließende Leben als Mutter in Niederländisch-Ostindien entpuppte sich als einziger Alptraum, vor welchem sie letztendlich nach Paris flüchtete, wo sie ihren starken Drang zur Unabhängigkeit als Mata Hari (javanisch für "Aufgang der Sonne, Auge des Tages") verwirklichen konnte.

 

Der Roman liest sich als fiktive Biographie, in kurzer Zeit geschrieben. Schnell wird deutlich, dass Mata Hari sich emotional stets von anderen Menschen distanzierte. Ihr Erscheinungsbild machte vielen Männern Angst, wurde jedoch zu ihrer wichtigsten Waffe, um ihre Ziele zu erreichen. Durch den aufkommenden Krieg wurde sie jedoch einigen Personen ein Dorn im Auge und zum Spielball gewichtiger Männer, was letztlich ihr Schicksal besiegelte. Abgerundet wird der Roman von einem Brief ihres Anwalts, welcher Mata Hari jedoch nie erreichte.

 

Eine realitätsnahe, fiktive Autobiographie zu schreiben ist natürlich eine Herausforderung für jeden Autor. Gespannt erwartete ich, Einblicke in das Leben Mata Haris zu erlangen. Doch obwohl ich durch diesen Roman so einiges aus ihrem Leben erfuhr, blieben die Charaktere größtenteils sehr flach, hatte ich keine Gelegenheit, ausreichend in die Gefühlswelt Mata Haris einzutauchen. So distanziert sie anderen Menschen gegenüber blieb, so distanziert gestaltet sich leider auch dieser Roman. Zudem bleibt bis zum Schluss ungeklärt, inwiefern sie wirklich spionierte und/oder sich unwissend stellte oder nicht. Ein Roman, der mir persönlich zu vieles ungeklärt ließ, schade!