Rezension

Fluchtspezialist am Werk

Projekt Orphan - Gregg Hurwitz

Projekt Orphan
von Gregg Hurwitz

Bewertet mit 3.5 Sternen

Evan Smoaks Lebensaufgabe ist es, Menschen zu helfen, denen Unrecht getan wurde. Dabei greift er auf seine Intuition, sein Geschick und scheinbar endlose Ressourcen und Connections zurück. Doch in diesem Buch gerät Evan selbst in Gefahr und muss nun versuchen, sich selbst zu retten.

Der Anfang des Buches ist unglaublich fesselnd. Gerade als Evan einer von Menschenhändlern verschleppten jungen Frau helfen will, wird er selbst von Unbekannte entführt.  Ihm bleibt nur noch wenig Zeit, sich selbst zu befreien, wenn er das Mädchen retten will.

Mit großer Präzision beschreibt der Autor Evans Gedankengänge und die Durchführung seines Fluchtplans. Dies ist sehr spannend zu lesen, doch in der Mitte des Buches hatte ich das Gefühl, dass die Handlung recht konstruiert wirkt. Viele Teile von Evans Flucht scheinen zufällig zu klappen, was ja nur auf Glück zurückzuführen ist. Andere Szenarien wirken, als hätte Evan das vorhergesehen, was allerdings angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich so eintrifft, eine mentale Höchstleistung ist. Da der gesamte Mittelteil aus nichts anderem als Flucht und Ausbruch zu bestehen scheint, war es für mich leider sehr seltsam zu lesen, da ich mir einfach der Tatsache bewusst war, dass der Autor natürlich die Handlung so hinbiegen konnte, dass Einzelheiten jetzt mal geklappt haben und andere wiederum nicht. Normalerweise ist mir in Büchern das „Fäden-ziehen“ des Autors selbst, nicht bewusst, aber im Mittelteil von Projekt Orphan wirkte die Handlung sehr konstruiert.

Doch dann nimmt das Ganze plötzlich wieder Fahrt auf und die Spannung, die ich aus der ersten Hälfte des Buches gewohnt war, kehrte zurück. Verwicklungen wurden aufgedeckt, die Motive einzelner Personen endlich etwas klarer und nicht so verschwommen und das Lesevergnügen war zurück.

Ich denke, wenn ich das Buch nun ein zweites Mal lese, wird der Mittelteil nicht mehr so schlecht ausfallen, da ich nun eher verstehen kann, was überhaupt für Evan dabei raus springt, sich in meinen Augen seltsam zu verhalten.

Um es klarzustellen: Das Buch ist unglaublich spannend und man will auf jeden Fall weiterlesen und fiebert mit der Hauptperson mit! Lediglich der Mittelteil ist für mich persönlich etwas zu repetitiv (zu oft Flucht und Fehlversuch), dies alles ist aber letztendlich notwendig gewesen für das spannende Ende des Buches. Diese Notwendigkeit hat sich mir allerdings beim ersten Lesen nicht erschlossen, weswegen es etwas zäher als notwendig war. Rückblickend hat das Buch eine runde Handlung, ist spannend aufgebaut und hat einen der interessantesten „Agenten“-Hauptcharakter, die ich bisher kennenlernen durfte.