Rezension

Fordernd und außergewöhnlich

Eine allgemeine Theorie des Vergessens - José Eduardo Agualusa

Eine allgemeine Theorie des Vergessens
von José Eduardo Agualusa

Bewertet mit 4 Sternen

Durch den Klappentext neugierig geworden, mußte ich dieses kleine und wie ich später dann feststellen konnte auch feine Büchlein unbedingt lesen

Man findet sich in Angola zur Zeit des Befreiungskampfes gegen die Kolonialherren Portugal wieder. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Ludovica, eine sehr in sich selbst zurückgezogene und etwas sonderbare Frau, die relativ abgeschottet von anderen Menschen nur den Kontakt mit den in einer Wohnung mit ihr lebenden Personen hat. Als eines Tages ihre Schwester und ihr Schwager nicht mehr von einer Party zurückkehren, beschließt Ludo sich komplett von der Außenwelt abzugrenzen und baut vor ihrer Wohnung eine Mauer, die 30 Jahre bestehen bleibt. Obwohl zu Beginn noch reichlich Nahrung vorhanden ist, wird diese bald knapp. Aber Luda kommt auf ziemlich einfallsreiche Ideen um ihr Überleben zu sichern. Ihre Gedanken und Gefühle findet man überall in der Wohnung niedergeschrieben, zum Schluß ist keine Wand mehr davon verschont. Ist diese Leben Ludos schon fesselnd und interessant für den Leser, so schafft es der Autor das Ganze noch spannender und vielschichtiger zu gestalten, indem er um Ludo herum noch andere Personen und ihre Geschichten erschafft und sie peu à peu miteinander verknüpft. Das war für mich schon große Kunst. Durch diese zusätzlichen Handlungsstränge erfährt man einiges über die politischen und geschichtlichen Hintergründe Angolas. Doch ohne Vorkenntnisse muß man schon andere Quellen zu Rate ziehen um den Durchblick zu erhalten. Besonders im Mittelteil wurden es mir manchmal zuviele Personen und ich habe den Überblick verloren, so dass ich alles noch einmal gelesen habe.

Trotz der Kürze des Buches wird der Leser hier ordentlich gefordert und es ist definitiv kein Buch für Nebenbei. Doch wenn man sich die Mühe macht, sich etwas Zeit nimmt, bekommt man hier ein kleines Meisterwerk geliefert, das vor allem auch stilistisch überzeugt. Die Sprache ist immer genau auf dem Punkt und kein Wort ist zuviel. Durch Ludos Gedanken und Gedichte findet man aber auch Poesie in den Texten wieder, so dass auch für Leser, die gern interpretieren und den Sinn zwischen den Zeilen suchen etwas dabei ist.

Jose Eduardo Agualusa hat mit seinem Roman „Eine allgemeine Theorie des Vergessens“ ein wirklich eindrucksvolles Werk mit einer ganz besonderen Heldin geschaffen, dass vor allem dem fordernden Leser viel zu bieten hat.