Rezension

Frau ohne Gedächtnis

Blinde Schatten - Anna Martens

Blinde Schatten
von Anna Martens

Zum Inhalt:
Die Goldschmiedin Johanna erwacht nach einem Überfall im Krankenhaus. Da sie nicht nur die letzten Stunden, sondern einige Monate vergessen hat, schwebt sie in großer Gefahr, - auch deshalb, weil ihr Verhalten gegenüber ihrem Umfeld schon vor diesem Vorfall seltsam war und zu Konflikten führte. Johanna kann sich bei niemand sicher sein und steigert sich immer mehr in ein Gefühl von Angst und Misstrauen hinein.

Mein Eindruck:
Gelungen an diesem Buch ist vor allem die Wahl der Ich-Perspektive, in der hauptsächlich die Gedanken des Opfers Johanna, stellenweise auch die des Täters (schön abgesetzt in kursiver Schrift) den Lesern vermittelt werden. So muss man sich - genau wie Johanna - einen Überblick über die Umstände erkämpfen, die zu ihrer misslichen Lage geführt haben. Befremdlich wirken jedoch die Reaktionen ihres Umfelds: Selbst wenn eine Person (und das ja sogar mit gutem Grund) sich distanziert bis leicht schäbig verhalten hat, sollte doch nach so einem Überfall ein gewisses Mitleid zu erwarten sein. Hier jedoch gebärden sich fast alle verhalten bis sogar höchst abweisend. So kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Autorin damit hauptsächlich die Schar der Verdächtigen erhöhen wollte, so viele sich so wenig empathisch verhaltene Personen auf einem Fleck sind jedoch eher unglaubwürdig.
Sehr stimmig ist dagegen Johannas Zukunftsangst beschrieben. Auch wenn es eher zäh zu lesen ist, wenn immer wieder darauf eingegangen wird, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die Gedanken einer Selbständigen einen großen Teil der Zeit genau darum kreisen. Überhaupt hat die Autorin ein Händchen für die Beschreibung von Gefühlen, - die Panikattacken meint man am eigenen Leib zu spüren und das allgegenwärtige Misstrauen gegenüber der Umgebung kommt sehr glaubhaft daher.
Dagegen steht das absolut unrichtig anmutende Verhalten der Polizei. Dass IP-Adressen gefakt werden können, ist allgemein bekannt und da Johanna sehr schwer verletzt wurde, kann man ihr nicht unterstellen, dass sie nur nach Aufmerksamkeit heischen möchte.
Das Ende kommt zu überstürzt und lässt doch einige Fragen sehr offen.

Mein Fazit:
Oft einfühlsam und gelungen, stellenweise jedoch ungereimt