Rezension

Fremde Nester...

Kuckucksmörder - Raimon Weber

Kuckucksmörder
von Raimon Weber

Bewertet mit 4 Sternen

Vater, Mutter, Kind Sie sind die perfekte Familie. Glauben alle. Nur er nicht. Er beobachtet sie. Verfolgt sie. Kennt ihre dunkelsten Geheimnisse. Denn er sieht jeden Schritt. Jeden Schlag. Bis er eines Tages selber zuschlägt. Die Familien als Geisel nimmt. Die perfekten Familienväter verschwinden spurlos. Doch keiner sieht etwas. Keiner weiß etwas. Nur die schwerkranke Polizistin Eva Flessner hat einen Verdacht. Was sie nicht ahnt: Er beobachtet auch sie...

Der Kuckuck ist im Tierrreich ein unangenehmer Genosse. Das Ei in ein fremdes Nest gelegt, macht sich der Vogel anschließend von dannen, und das Junge, einmal ausgebrütet, wirft auch noch die rechtmäßigen Kinder der Stiefeltern aus dem Nest, um sich dick und rund füttern zu lassen.
In diesem Buch geht es auch um fremde Nester. Allerdings werden nicht die Jungen aus dem Nest geworfen, sondern die Väter. Eines ist diesen Vätern gemein: hinter der gutbürgerlichen Fassade schlagen sie ihre Frauen, demütigen und drangsalieren sie. Und einer erträgt das nicht mehr, will es nicht länger dulden...

"Ich bin in solchen Dingen ein wenig... ich weiß nicht, ob das der richtige Ausdruck ist, altmodisch. Ich kann es nicht ertragen, wenn meine Mitmenschen belästigt werden." (S. 98)

Die Polizistin Eva Flessner gerät eher zufällig in einen Fall des 'Kuckucksmörders', als die Mutter ihrer besten Freundin sie aufgeregt anruft, weil diese nicht zu erreichen ist. Als Eva im Haus der Freundin nach dem Rechten sieht, erwartet sie eine traumatische Entdeckung. Die Freundin ist tot, ebenso deren Mann sowie beide Kinder. Ermordet, teilweise misshandelt, gnadenlos.
Fassungslos und wütend, verspricht Eva Flessner am Grabe der Familie, alles menschenmögliche zu unternehmen, um den Täter zu finden. Doch es ist gar nicht so einfach, parallel zur Mordkommission zu ermitteln, die im Dunkeln zu tappen scheint, zumal Eva Flessner gesundheitlich ernsthaft angeschlagen ist...

Im Gegensatz zu Raimon Webers erstem Roman 'Eis bricht' habe ich dieses Buch wirklich als Thriller empfunden. Der Schreibstil ist sehr flüssig, der Plot interessant angelegt, und anfangs fliegen die Seiten durch die aufgebaute Spannung nur so dahin. Im Mittelteil allerdings lässt die Spannung dann etwas nach, um gegen Ende wieder deutlich anzuziehen.
Neben den teilweise sehr brutalen Handlungsteilen, gelingt es Raimon Weber auch, die Gefühle der misshandelten Frauen, vor allem aber die ihrer Kinder sehr authentisch darzustellen. Was macht es mit Kindern, die tagein, tagaus Zeuge werden, wie die Mutter zusammengeschlagen wird, ohnmächtig zu sein und keinen Ort der Sicherheit zu kennen?

Die Charaktere bleiben noch eher oberflächlich, punktuell geht die Beschreibung aber in die Tiefe. Kindheitserinnerungen des Täters spielen beispielsweise eine große Rolle. Man weiß früh, wer der Täter ist und auch sein Motiv wird schnell deutlich. Dies tut der Spannung aber keinen Abbruch.
Das Ende dann: überraschend. Allerdings für mich persönlich zu sehr Hannibal-Lecter-mäßig, um wirklich originell zu sein. Jedenfalls würde es mich nicht verwundern, eines Tages auf eine Fortsetzung des Thrillers zu stoßen...

Insgesamt flüssig und flott zu lesen, über weite Strecken spannend, aber es fehlte letztlich die Überzeugungskraft, die einen richtig guten Thriller ausmacht. Dennoch ein Lesevergnügen für alle, die auch einmal Spaß haben an einem Thriller 'für zwischendurch'.

© Parden