Rezension

Freundschaft, Liebe, Hass und Vertrauen

Es wird keine Helden geben - Anna Seidl

Es wird keine Helden geben
von Anna Seidl

Bewertet mit 5 Sternen

In großgeschriebenen Buchstaben auf weißem Grund steht auf dem Cover des Buchs von Anna Seidl der Titel „Es wird keine Helden geben“ und füllt die Seite damit aus. Der Beginn der kurzen Aussage zunächst in roter Schrift wie die Ankündigung von Gefahr wird unterbrochen von einem schwarz für das Wort „Helden“, das hier für das im Dunkeln lauernde Unbekannte aber auch als Trauerfarbe stehen könnte. Das letzte Wort erscheint in hellerem rot, beinahe schon rosa und nimmt dadurch der Gefahr etwas die Schärfe, geht im Gegenteil dazu über in Liebe. Das Cover macht neugierig darauf, worum es in diesem Buch geht. Der Text auf der Rückseite, oben und unten, mit einem skizzierten Schussloch verziert, gibt eine kurze Inhaltsbeschreibung.

Miriam, die Protagonistin des Buchs, die hier in der Ich-Form erzählt, wird von ihrem Freund per SMS geweckt, da sie verschlafen hat. So kommt sie an diesem Tag zwar rechtzeitig zur Schule, doch mit dem Klingeln der ersten Pausenglocke ändert sich ihr Leben vollständig. Mit ihrer Freundin Joanne kommt sie gerade aus dem Klassenzimmer, als sie einen Schuss hören. Aus ihrem Versteck heraus sehen sie, wie einer ihrer Mitschüler von einem anderen erschossen wird. Eine Weile nachdem der Gewalttäter gegangen ist, schaut Miriam vorsichtig auf den Flur und sieht dort ihren Freund schwer verletzt auf dem Boden liegen. Doch ihre Angst vor dem Mörder ist zu groß, sie traut sich nicht, ihm zu Hilfe zu eilen. Der Amoklauf, aber vor allem diese Szene wollen ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Und nicht nur bei ihr ist das so, sondern auch bei ihren Freundinnen und den übrigen Schülern. Jeder reagiert auf seine eigene Weise ganz unterschiedlich auf dieses Ereignis.

Die Autorin hat die vorliegende Erzählung im Alter von 16 Jahren geschrieben. Obwohl der Amoklauf nur ihrer Fantasie entspringt, bringt sie das Schulleben wie auch die Freundschaftsbeziehungen aus ihrer Erfahrung her sehr real rüber. In  meist kurzen Sätzen lässt sie eine für den Leser bizarre Szenerie entstehen, in denen sich niemand wohlfühlt, sondern eher beim Lesen den Atem anhält. Die Gedanken gehen der Protagonistin wirr durch den Kopf und jeder kann nachvollziehen, dass es für diesen Moment kein Entkommen aus der Situation gibt. Man fühlt mit und würde am liebsten selbst eingreifen und weiß doch nicht wie. Doch Miriam beschäftigen nicht nur Überlegungen, wie es zu diesem Amoklauf kommen konnte, ob sie und/oder ihre Freunde sogar eine gewisse Schuld durch ihr Verhalten dem Amokläufer gegenüber tragen, sondern auch die Beziehung zu ihren Eltern ist ein Thema dieses Buchs. Fragen über Fragen tauchen in ihrem Kopf auf. Und aus der „normalen“ Schülerin, wird in der Folgezeit eine junge Frau, die sich mit Freundschaft, Hass, Liebe und Vertrauen beschäftigt. Der Schreibstil ist von schonungsloser Offenheit. Die Schilderungen bleiben im Gedächtnis haften. Das Buch lässt den Leser nachdenklich zurück, eine unbedingte Leseempfehlung.