Rezension

...für Leser leiserer Töne

Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte - Rachel Joyce

Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte
von Rachel Joyce

Bewertet mit 5 Sternen

„Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte“ ist ein Roman von Rachel Joyce und ist am 21. November 2013 beim Fischer Verlag erschienen. Übersetzt wurde der Roman von Maria Andreas.

Im Schaltjahr 1972 wurden der Zeit zwei Sekunden hinzugefügt, um den Takt der Erdbewegung wieder in Einklang zu bringen. Dem 11jährign Byron macht das sehr zu schaffen. Zeit die hinzugefügt wird, woher soll die kommen?

„In zwei Sekunden kann viel passieren, was sonst nicht passiert wäre. Ein einziger Schritt zu weit, und man stürzt eine Klippe hinunter. Das ist sehr gefährlich.“
Und dann passiert es tatsächlich.

Obwohl keiner außer ihm etwas bemerkt, glaubt er fest daran, dass seine Mutter Diana in diesen zwei Sekunden ein kleines Mädchen auf einem roten Fahrrad angefahren hat.

Diese zwei Sekunden, eine kleine Unaufmerksamkeit und der daraus resultierende Unfall verändern das Leben von Byrons Familie. Bald hat der verstörte Byron seine labile Mutter davon überzeugt, dass es einen Unfall gab und das Unglück nimmt seinen Lauf. Und Byron glaubt, er ziehe das Unglück an und lädt sich eine Schuld auf, die er nie wieder loswerden kann.
Parallel zu der Geschichte des 11jährigen Byron erzählt die Autorin die Geschichte des 50jährigen Zwangsneurotikers Jim.

Wie diese beiden Geschichten zusammengehören möchte ich hier nicht verraten.

Der neue Roman von Rachel Joyce, die mich schon vor zwei Jahren mit ihrem Debüt „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Herold Fry“ überzeugen konnte, ist ein vollkommen anderes Buch, aber mit der gleichen Intensität wie die Geschichte um Harold Fry geschrieben.
Rachel Joyce hat einen sprachgewaltigen Roman mit sehr leisen Tönen geschrieben. Wer genau zuhört wird ein tolles Buch erleben.
Es ist eine Mischung aus Familiendrama und Gesellschaftskritik.
Der Roman zeigt den inneren Konflikt eines Menschen mit einer labilen Psyche, der ein normales Leben führen möchte, aber seinen Zwängen und Ängsten unterliegt.

Die Autorin versteht es sehr gut den inneren Kampf eines Menschen darzustellen. Emotionen werden sehr lebensnah beschrieben, dem Protagonisten haucht sie somit viel Leben ein. Das erreicht Joyce indem sie nicht nur die Gefühle, sondern auch die Symptome beschreibt.

Das Cover ist in Orange-Gelbtönen gehalten. Wie schon bei ihrem Debütroman, harmoniert die Schrift in den Rottönen sehr schön mit dem Rest.
Das Mädchen auf dem Rad und die zeigerlose Uhr deuten schon an, dieses Buch hat es in sich und das Motiv trifft den Kern der Geschichte genau.

Wer gerne Familiendramen und Gesellschaftskritischen liest, ist mit dem Roman bestens bedient. Aber auch für Leser der leiseren Töne dürfte es ein Buch sein.