Rezension

Für mich zu distanziert und emotionslos

Die Spionin - Paulo Coelho

Die Spionin
von Paulo Coelho

Frankreich, 1917: In Paris wird eine Frau von einem Erschießungskommando hingerichtet. Es handelt sich dabei um die skandalumwitterte Tänzerin Mata Hari, die in den höchsten Kreisen verkehrte und schließlich der Doppelspionage angeklagt und für schuldig befunden wird.
In diesem Buch, verfasst Mata Hari kurz vor ihrer Hinrichtung einen (fiktiven) Brief an ihren Anwalt und schildert ihre Sicht der Ereignisse und Entwicklungen. Dabei erfährt man viel aus ihrer Biografie; wie sie sich in ihrer holländischen Heimat langweilte, deshalb einen britischen Offizier heiratete und mit ihm nach Java ging. Doch diese Ehe war geprägt von Gewalt und so verlässt die damals noch Marghareta genannte junge Frau ihren Mann und ihr Kind und beginnt ohne Ausbildung eine Karriere als Tänzerin. Ihre freien Interpretationen exotischer Tänze, die wenig Authentizität und dafür viel nackte Haut beinhalten, verhelfen ihr zu Berühmtheit. Sie prahlt in ihrem Brief mit ihren unzähligen Liebschaften und legt dabei sowohl Arroganz als auch Naivität an den Tag. Leider bleibt Mata Hari in diesem Abschnitt sehr schematisch. Es wirkt oft wie eine Aneinanderreihung von biografischen Fakten, oft fehlte mir dabei die Emotionalität und Nähe zur Figur. Zudem scheint der Autor damit spielen zu wollen, dass Mata Hari auch im Ruf einer Lügnerin stand und oft viel zu ihrer Geschichte dazu erfand. Das erfährt man jedoch erst im Nachwort oder bei weiteren Recherchen im Internet. Im Buch selbst ist ein solches Verwirrspiel leider nicht gut gelungen, weil es nicht deutlich genug herausgestellt oder in Widerspruch zu anderslautenden Aussagen gestellt wird. Als einziges relativierend wirkt der anschließende (fiktive) Brief von Mata Haris Anwalt, doch auch das ist nicht ausgearbeitet genug und dient wahrscheinlich eher dazu, die Abläufe zu schildern, die außerhalb Mata Haris Wissen lagen. Leider bleibt auch Mata Haris Spionagetätigkeit schwammig und wenig greifbar oder verständlich. Der Meinung der Buchfigur nach seien gar keine Informationen geflossen bzw. ist von der Weitergabe von Klatsch die Rede, nur dass nie deutlich wird, was und an wen Mata Hari geliefert hat. Deutlich wird nur, dass Mata Hari in ihrer Selbsterhöhung und ihrem Geltungsdrang dumme und naive Dinge getan hat und sich möglicherweise in eine Situation manövriert hat, deren Bedeutung sie gar nicht erfassen konnte. Auch wird deutlich, wie gefährlich eine Frau wahrgenommen hat, die die Geliebte vieler einflussreicher Männer war und schließlich mindestens für ihre Unkonventionalität mit dem Leben zahlen musste.

Mata Hari wird auch weiterhin eine Faszination auf mich ausüben, dieses Buch wird jedoch wenig zu meinem Bild von ihr beitragen. Der Schreibstil ist zugegebenermaßen ansprechend und durchaus poetisch, konnte mir aber zu keiner Zeit irgendeine Emotion vermitteln, was ich wirklich bedauerlich fand. Auch die biografischen Details wurden für mich nicht bildhaft genug. Meiner Meinung nach wurde hier einiges an Potential der Geschichte verschenkt. Ich hatte ein ergreifenderes Buch erwartet, nicht zuletzt aufgrund Mata Haris tragischem Ende und etlicher Ungerechtigkeiten, die ihr wiederfahren sind. So kann ich nur sagen "Kann man lesen, muss man aber nicht unbedingt".