Rezension

Ganovengeschichte mit Herz

Sweetgirl
von Travis Mulhauser

Bewertet mit 3 Sternen

"Witzig, herzzerreißend und ein Triumph" (in National Public Radio), das ist wirklich übertrieben. Aber eine nette Fingerübung von Travis Mulhauser, Dozent für Englisch, was man merkt. Die Sprache des Romans hat er perfekt an die Schicht angepasst, über die er schreibt. Insgesamt will ich nicht meckern.

Eine Story im Winter. In Cutler County, Michigan. Dessen Atmosphäre, nämlich eine Mischung von Niedergang und Hoffnung, ist ziemlich gut, wie nebenher beschrieben. Ein Baby wird vernachlässigt, von der gutmeinenden Percy „geraubt“ und vom stellvertretenden Drogenboss des Orts zurückgeholt. Das ist wenigstens der Plan. Er geht, wie in lustigen Ganovengeschichten immer, nicht ganz auf.

Die Geschichte, die auf zwei Ich-Ebenen erzählt wird, von dem jungen Mädchen Percy und von Shelton, dem Dealer, lebt von der Selbstüberschätzung des Drogendealers Shelton Potter. Shelton weiß zwar, dass er nicht wirklich klug ist, aber doof ist er auch nicht. Immerhin weiß er, dass er nichts weiß. Er hält sich für einen Geschäftsmann, seine Methoden sind allerdings etwas ungewöhnlich und die Ergebnisse seiner Handlungen oft zufällig.

Shelton Potter ist die schwarze Figur, mit der man jedoch Mitleid bekommt und Percy ist einfach ein Engel mit schwarzen Rändern unter den Fingernägeln, von Jenna, dem Baby ganz abgesehen. Trotz der flapsig gestalteten Handlung sollte es jedem klar sein, dass die geschilderten Verhältnisse existieren. Sie sind in der Realität nur nicht lustig. Das wiederum ist sehr traurig.

„Sweetgirl“ ist eine eigentlich kleine Story, mehr eine Fingerübung des angehenden Autors, denn wirklich mitgehen kann man nicht, die jedoch durch ihre winterliche Atmosphäre und die Erzählweise des Autors, die der traurigen Realität zuwiderläuft, gewinnt. Man muss dieses Buch nicht gelesen haben, aber wenn man es liest, wird man sehr nett unterhalten und kann sich das Grinsen nicht immer verkneifen, auch wenn der Witz manchmal von der plumpen Sorte ist.

Fazit: Lakonische Ganovengeschichte mit Comicelementen. Oder auch: lustige Verarsche mit winterlicher Atmosphäre. Hat was, wenn man das Genre mag. Jedenfalls habe ich schon schlechtere Debüts gelesen.

Kategorie: Krimi/Persiflage
Verlag: dtv, 2017

Kommentare

katzenminze kommentierte am 15. Februar 2017 um 10:27

"Shelton Potter ist die schwarze Figur, mit der man jedoch Mitleid bekommt und Percy ist einfach ein Engel mit schwarzen Rändern unter den Fingernägeln (...)."

Top! :)