Rezension

Ganz gelungener erster Band der Reihe

Ananda - Beta - Rachel Cohn

Ananda - Beta
von Rachel Cohn

Bewertet mit 4 Sternen

Auf mich hat “Beta” einen sehr zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Rachel Cohn gelingt es hervorragend, eine kühle künstliche Atmosphäre aufzubauen. Das schafft sie in erster Linie jedoch nicht, wie man annehmen würde, durch die Klone, sondern durch die Oberflächlichkeit der Menschen und die perfekte klinische Welt von Demesne.

Tatsächlich ist die Insel so gut beschrieben, dass einem beim Lesen alles ein bisschen heller vorkommt, weil selbstverständlich gibt es auf Demesne nur gutes Wetter, malerische Strände, besonders gefärbtes Meer und die reichen Bewohner wohnen in Palästen in strahlenden hellen Farben. Der Insel fehlt es trotz der offensichtlichen sommerlichen Atmosphäre komplett an Wärme und Behaglichkeit. Ein bisschen hatte ich das Gefühl, als wäre ich in eine Raffaello-Werbung gestolpert.

Gesteigert wird dies durch die unglaubliche Gefühlskälte der meisten menschlichen Protagonisten. Elysias Käufer sind exzentrische Egoisten. Die Mutter ist eine eigentlich unglückliche gelangweilte Tussi, der Vater ein geiler alter Bock, der weder Achtung vor seiner Frau, noch vor seinen Dienstboten hat. Die Kinder ergehen sich als Jugendliche im Einschmeißen des Rauschmittels Raxia, um überhaupt noch etwas anderes als Langeweile zu empfinden. Ansonsten verbringen sie ihre Zeit mit Cyberspielen und Faulenzen. Die meisten haben keine Aufgabe und keine Ziele. Einzig die kleine Liesel scheint so etwas wie Gefühle zu haben, denn sie zeigt sowohl Angst, als auch Herzenswärme, aber letztlich ist Elysia für sie auch nur ein Ding, welches ihre ältere Schwester, die fortgegangen ist, ersetzen soll.

Elysia selbst ist einem als Leser durch die Ich-Perspektive zwar näher, aber so richtig zu fassen bekommt man sie nicht. Sie wirkt immer ein bisschen entrückt, was vielleicht auch damit zu tun hat, dass sie selbst nicht wirklich weiß wer sie ist und das sie nicht weiß wie sie Gefühlen, Wut und Angst begegnen soll. Dies mag sich im Laufe der Fortsetzungen vielleicht noch ändern, denn am Ende von “Beta” ist Elysia bereits meilenweilt von einem gehorsamen Klon entfernt.

Der Roman ist zwar nicht ohne Handlung, aber bis auf kleinere Zwischensequenzen geht es besonders in der ersten Hälfte eigentlich nur um das Verhalten der Menschen und der Klone. Man könnte “Beta” auch als Gesellschaftsstudie betrachten und einige werden dies vielleicht langweilig finden. Mir hingegen hat das gut gefallen, auch wenn ich mir von Rachel Cohn in einigen Szenen mehr Eindrücklichkeit gewünscht hätte. Zwar passt die grundsätzliche Oberflächlichkeit der Personen zur Geschichte und sie zeigt auch großartig die Leere in ihnen, aber das gleichmäßige Voranschreiten der Handlung ohne nennenswerte Höhepunkte wirkt manchmal fast einlullend.

Problematisch sind dann für mich die letzten 60 Seiten des Buches, auf denen sich die Ereignisse überschlagen. Punktete “Beta” bei mir bisher durch Atmospähre und durch eine bedächtige Langsamkeit, wirft die Autorin plötzlich alles über Bord und handelt die wohl wichtigste Wendung innerhalb von zwei Seiten ab. Auch wenn ich zudem kein Fan von Grausamkeiten in Büchern bin, war mir besonders diese Stelle zu wenig beschrieben und durch das schnelle Abhandeln, wird das Ganze fast irreal.

Dann geschehen jedoch ganz am Schluss noch einmal zwei Überraschungen, die mich trotz allem neugierig machen auf die Fortsetzung, die hoffentlich wie das Original noch dieses Jahr erscheinen wird. Hervorheben möchte ich abschließend das wirklich sehr schöne Cover, welches meine Vorstellung von Elysia zu 100% trifft.