Rezension

Ganz originell, aber mit Schwächen

Projekt Rahanna - Uli Wohlers

Projekt Rahanna
von Uli Wohlers

Bewertet mit 2.5 Sternen

Oha! Dass mich hier eine außergewöhnliche Geschichte erwarten würde, war ja schon nach der Leseprobe zu vermuten. Aber so abgedreht!!?? Hier kommen mir spontan so gegensätzliche Attribute wie intelligent und bescheuert, spannend und langatmig, prollig primitiv und eloquent in den Sinn. Auch sonst passt es in keine Schublade. Auf dem Cover steht einfach „Roman“, doch während und nach der Lektüre purzelte bei mir ein Reigen von Stichworten durcheinander wie: Krimi, Gesellschaftssatire, Persiflage, Öko-Romantik oder schlicht – Blödsinn.

Nach etwas über 100 gelesenen Seiten habe ich mir den Autor und sein bisheriges Wirken genauer angesehen und festgestellt, dass es sich hier um eine Art Krimi-Reihe handeln könnte, die auf Bornholm spielt. Zumindest gibt es weitere Bücher mit den Kommissaren Stig Tex Papuga und Ole Rasmussen. Ob ein entsprechender Hinweis wohlweislich nicht erfolgt ist, damit die Erwartungen nicht zu sehr in eine falsche Richtung gehen? Könnte ich mir gut vorstellen.

Aber nun zum Buch J.

Schauplatz dieser eigenwilligen Geschehnisse ist die Insel Bornholm vor dem Hintergrund eines heftigen Sommerorkans. Dazu herrscht ein gewisser Ausnahmezustandes wegen der Schweinegrippe – beides kein Zufall, wie sich später herausstellt.

Es beginnt sehr atmosphärisch mit geballtem Wikingerfeeling, der Einstieg vollgepackt mit Elementen der nordischen Mythologie (was mir persönlich sehr gut gefallen hat). Da die Geschichte aber gleichzeitig erkennbar in der Gegenwart spielt, muten Handlung und handelnde Personen reichlich strange an. Schon hier kam mir der Gedanke, dass man nicht alles ganz ernst nehmen sollte. Passt aber auch nicht immer, weil sich auch durchaus ernstzunehmende Elemente finden. In schneller Folge werden in jedem Kapitel neue Personen vorgestellt und es zeichnet sich ab, dass und wie „Blut-Eigil“, „König Knut“ und ihre Mannen die Insel übernehmen. Diese Sequenzen werden recht ausführlich und vor allem äußerst bildhaft beschrieben, hier schimmert definitiv der „Drehbuchautor“ durch. Einer Apokalypse gleich kommen die Wikinger über das bäurische Establishment Bornholms, an mehreren Stellen gleichzeitig und die Aktion scheint gut vorbereitet. Eine neue, eigentümliche Form von Öko-Wutbürgern mit der Maxime „zurück zur Lebensweise der Wikinger“, jedoch mit gewissen Einschränkungen, denn sie verzichten keineswegs auf sämtliche neuzeitlich-technischen Mittel.

Unter diesen Vorzeichen entwickelt sich ein wildes Durcheinander von teils absolut filmreifen Szenen, gerade, wenn es um martialische Riten, Gesänge und Gelage geht. Einen gewissen Unterhaltungswert kann man dem nicht absprechen, aber irgendwann hat es mir auch gereicht. Es gab einfach zu viele  davon und ich hatte den Eindruck, dass sie immer überdrehter und ekliger wurden. Im Laufe der Geschichte spaltet sich die Wikingerschar in die „guten Ökoaktivisten“ und in die eher an Hooligans erinnernden Wüteriche, denen die hehren Ziele schnuppe sind, Hauptsache Action und was zum Draufkloppen.

Auch sprachlich hat mich das Buch Achterbahn fahren lassen. Überwog  auf den ersten Seiten der Spaß an den kargen, aber originell-abstrusen Dialogen und den temporeichen Schilderungen der Geschehnisse, bekam das Lesevergnügen mit der Zeit Risse. Insgesamt kam es mir vor wie ein Mix von derb und „Anspruch“, der zum großen Teil durch ausgiebigen Gebrauch von Fremdwörtern erzeugt wird. Hierbei sind mir einige Unsauberkeiten aufgefallen, z.B. wird auf S. 103 das Wort „Wittib“ benutzt („ihr seid krank, gute Wittib…“), obwohl die so Angesprochene keine Witwe ist. Und auf S. 91 heißt es „…während er den bewusstlos niedergesunkenen Bauern mit Faustschlägen und Tritten in die Nieren massakrierte“. Der Bauer wird keineswegs massakriert (getötet), sondern traktiert – wenn man denn ein Fremdwort benutzen möchte. Ja, man kann das als Klugscheißerei bezeichnen, aber mich stört so was. Wenn schon so viele Fremdwörter, dann bitte auch richtig. Mehr möchte ich hier nicht aufzählen, auch das wird schnell langweilig *g*.

Das Grundkonzept hat mir ausgesprochen gut gefallen, im Großen und Ganzen auch die Sprache. Doch um mich wirklich zu überzeugen und durchgehend zu unterhalten, ist mir die Handlung  zu dünn und nicht stimmig genug gewesen. Trotz wildester Beschreibungen erscheinen die Figuren eher blass. Die gesellschaftskritischen Aspekte bleiben weit hinter den ausufernd beschriebenen martialischen Exzessen zurück und der Spannungsbogen hängt ab der Mitte durch.

Stellenweise ist mir das Ganze einfach zu arg in Klamauk abgedriftet, auch unter Berücksichtigung des Satire-Faktors. Am Anfang dachte ich, was für ein dünnes Buch, aber am Ende war ich doch froh, dass es nicht umfangreicher gewesen ist.