Rezension

Gar nicht so abwegige Zukunftsmusik

QualityLand - Marc-Uwe Kling

QualityLand
von Marc-Uwe Kling

Bewertet mit 5 Sternen

In Qualityland ist alles anders und besser oder besser gesagt am bestesten. Mitteilungsbedürftige selbstfahrende Autos, die zur eigenen Sicherheit nicht mehr in die Brennpunkte der Stadt fahren und ihre Passagiere vorzeitig bitten Auszusteigen, sind hier ebenso normal wie Sexverträge oder digitale Assistenten, die gerne klugscheißern und sich auch mal untereinander zanken. Nachnamen ergeben sich aus dem Beruf des Vaters oder der Mutter zum Zeitpunkt der Zeugung. So begegnen wir Peter Arbeitsloser, Sandra Admin, Tatjana Geschichtslehrerin, Martyn Vorstand oder Melissa Sexarbeiterin. Mit der Bürde eines weniger vorteilhaften Nachnamens hat man es nicht einfach und entsprechend wenig Chancen auf gesellschaftlichen Aufstieg. So gelten Menschen unter Level 10 als "Nutzlose", zu denen sich nun auch Peter nach Sandras durch QualityPartners nahegelegten Trennung zählen darf. QualityPartners sucht mittels Algorithmen den passenden Partner und unterbreitet heimlich Trennungen, falls eine dem aktuellen Partner höherwertige Person passender erscheint. Qualityland wird völlig durch Konsum beherrscht. Ehe man sich versieht, kommt eine Lieferdrohne herbeigeflogen und hat eine auf die Person zugeschnittene Bestellung in petto, von der man nicht einmal weiß, dass man sie gewollt hat - alles Dank TheShop, dem weltweit beliebtesten Versandhändler. Sei es ein Sixpack Bier, das neueste Kleid oder ein pinker Delfinvibrator. Letzteres löst bei Peter nicht nur Unverständnis, sondern auch Empörung hervor und weckt seine lethargisch anmutende rebellische Ader. Er zweifelt das System an, welches besagt, dass Maschinen keine Fehler machen und möchte mit seinen Mitstreitern - eine Reihe kaputter Roboter, denen er die Verschrottung in seiner eigens betriebenen Verschrottungsanlage erspart hat, den Geschäftsführer von TheShop zur Rede stellen und den vermaledeiten Delfin zurückgeben.

Die Art und Weise, wie Kling vorliest, ist speziell. Neben seiner ironisch-trockenen Erzählweise scheint der Autor stellenweise selbst lachen zu müssen, wobei der Ernst der geschilderten Zukunftsvision stets allgegenwärtig ist. Und gerade dies ist so mitreißend. Die 500 Minuten vergingen wie im Flug und es wurde zu keiner Minute langweilig. Die in die Erzählhandlung eingebundenen Nachrichten- und Werbeeinblendungen wirken keinesfalls störend, sondern lassen einen nur noch weiter in die lustig-skurrile und zugleich beängstigende Welt eintauchen. Die von Peters Ex geschriebenen Nachrichten werden von Lesern kommentiert, die an die sinnlosen Onlinekommentare erinnern, wie wir sie nur allzu gut kennen. Die Botschaft Klings kommt an: In der heutigen Zeit voller digitaler Vernetzung, der achtlosen Bereitschaft Daten bereitzustellen, die u.a. für Werbezwecke genutzt werden und so manipulativ wirken, ist seine karikativ beschriebene Zukunft gar nicht abwegig.

Fazit: Ein gelungenes Werk, welches die unschönen Seiten unserer Welt mit viel Ironie und trockenem Humor aufzeigt. Die angesprochenen ernsten Themen lassen den Leser und Hörer garantiert mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück.