Rezension

Gefühle auf einer wunderbaren Insel

Das Lied der Sturmvögel - Anna Levin

Das Lied der Sturmvögel
von Anna Levin

Nachdem ich "das Korallenhaus" dieser Autorin schon sehr mochte, kam ich an diesem Roman nicht vorbei. Denn die Geschichte spielt dazu noch auf Madeira, einer portugiesischen Insel und ich liebe Portugal. Die Hauptprotagonistin packte mich schnell mit in ihren Koffer voller Emotionen, um Luft zu schnappen und einmal in Ruhe aufs Meer zu blicken. Nur um Hermigo und einer neuen Bekanntschaft zu begegnen.

Anna Levins Erzählstimme konnte mich wieder leicht entführen, wenige Seiten und ich war schon in der Welt gefangen, wo die Geschichte spielt. Eine gute Balance aus Dialog und Beschreibung lassen die Szenen wunderbar lebensecht erleben, Orte erwecken zum Leben, gewinnen an Farbe, ja manchmal sogar Düfte. Ich selbst hatte die Freude noch nicht, Madeira selbst zu erkunden, auch wenn ich schon andere Regionen in Portugal kenne. Doch dieser Roman hat mir nicht nur neuen Appetit geschenkt, sondern im Voraus bestätigt, wie schön dort wohl die Natur sein muss.
Im Fokus der Geschichte stehen - neben Lisa und Hermigo - auch die Sturmvögel. Diese Spezies gibt es tatsächlich nur auf Madeira und ist nicht nur durch das portugiesische Recht geschützt, sondern steht auch auf der Roten Liste der IUCN als sehr gefährdet. Die Autorin selbst gibt im Anhang des Romanes einige Informationen und Recherche-Listen zu dieser Vogelart. Ein anderer wahrer Teil des Romanes ist ein Waldbrand, der auf Madeira tatsächlich im Jahre 2010 wütete und ein grosses Stück Flora zerstörte. Auch dazu gibt die Autorin weitere Auskünfte im Anhang der Geschichte, was ich nicht nur interessant, sondern auch sympathisch fand. 
Hermigos Krankheit, die zu seiner Blindheit führte, ist ebenfalls eines der grossen Themen (und wird ebenfalls im Anhang mit Recherche-Angaben für Interessierte aufgeführt). Dass und wie komplett Erblindete malen können, war mir neu bzw. habe ich mir nie genau Gedanken dazu gemacht. Es war jedoch äusserts spannend zu lesen, wie Hermigos andere Sinne geschärft wurden, wie er zum Malen kam und welche Kleinigkeiten für ihn eine grosse Rolle spielen, die für uns fast unsichtbar im Alltag werden. Noch spannender war aber auch seine Vergangenheit, der Lisa wie eine Detektivin auf die Spur kommt, nachdem ihre Neugier sie nicht ruhen liess. 
Die Kirsche auf der Sahnetorte ist wohl die neue Bekanntschaft, die Lisa durch Hermigo macht und in Verbindung mit den Sturmvögeln steht: Filipe. Der Portugiese hilft ihr nicht nur mit der Trauer über den Tod ihrer besten Freundin und dem Druck ihres Jobs in Deutschland, sondern entführt sie in die bezaubernde Natur der Insel, infiziert sie mit seiner Faszination für die Vögel und hilft ihr bei der Informationssuche zu Hermigos Vergangenheit. Viel mehr als diese drei Hauptcharakteren kommen in den Roman auch nicht vor und benötigt die Geschichte auch nicht. Wenige Nebenfiguren tauchen auf, leisten ihren Beitrag, aber drängen nicht in den Vordergrund. Trotzdem passiert so viel auf so vielen Ebenen, was mich absolut gefangen nahm.
Einzige Kritik betrifft das Cover. Obwohl ich es sehr ansprechend finde und die Parallelen zu ihren anderen Büchern durchaus sehe, war mir die Muschel in der oberen Ecke ein kleiner Dorn im Auge. "Das Korallenhaus" zeigt eine Koralle in der oberen Ecke, die auch spürbar ausgestanzt ist. Diesen Roman habe ich als E-Book gelesen, weswegen ich das Anfassen nicht beurteilen kann. Aber die Muschel bleibt fraglich, da es in der ganzen Zeit weder um Muscheln oder im Entfernten um das Meer geht. Sondern über die Insel, die Vögel, ein blinder älterer Herr und eine Liebesgeschichte. Ein sehr schönes Dekor, leider aber nicht im Zusammenhang mit dem Roman.
 

4,5 / 5 Sterne