Rezension

Gefühlskalte Charaktere in einer plumpen Geschichte trotz ernsten Themas

Du liebst mich nicht - Edeet Ravel

Du liebst mich nicht
von Edeet Ravel

Bewertet mit 2.5 Sternen

MEINUNG

Dieses Buch hat mich aufgrund seiner besonderen Thematik interessiert. Ein Mädchen, das am Stockholm-Syndrom leidet, obwohl "leidet" ja doch das falsche Wort dafür ist. Denn bei diesem Syndrom entwickelt die Geisel ein positives emotionales Gefühl für ihren Entführer. Mir war klar, dass die Umsetzung dieses Themas nicht einfach ist, deshalb waren meine Erwartungen an die 320-seitige Geschichte von Anfang an nicht sehr hoch.

Ravel gibt die Entführungsgeschichte von Chloe in Tagebuchform wieder. Eigentlich ist das überhaupt nicht mein Ding, aber bei diesem Buch war es nicht auffallend, nur am Anfang und am Ende. Chloe erzählt quasi ihre ganze Geschichte nochmal neu, nachdem sie sie erlebt hat. Am Ende der Kapitel findet man meistens Zeitungsartikel, Facebook-Kommentare von Chloes Freunden oder Ausschnitte aus einer Website. Das führt dazu, dass man nicht nur erfährt, was das entführte Mädchen alles durchmachen muss, sondern man bekommt auch einen Einblick in die Gefühlswelt ihrer Freunde, Eltern und der restlichen Bürgerschaft der USA. Alle setzen sich für sie ein.

Leider hat das Buch viel an seiner Spannung eingebüßt. Natürlich kann man keinen aufregenden Roman schreiben, wenn die Hauptfigur fast den ganzen Tag nur eingesperrt ist, aber an manchen Stellen war die Geschichte für mich trotz des sehr leichten und flüssigen Schreibstils der Autorin ziemlich zäh und teilweise musste ich mich wirklich durchbeißen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich Chloe dann mit der Zeit immer oberflächlicher fand. Die Schwärmerei für ihren Entführer fand ich nach und nach immer lästiger. Gewünscht hätte ich mir, dass Edeet Ravel ein wenig mehr über die Gefühle des Mädchens schreibt - zum Beispiel war ich mir nicht wirklich sicher, ob sie ihre Familie und Freunde überhaupt vermisst.

Auch ihre Angehörigen fand ich ein bisschen zu gefühlskalt geschrieben. Besonders ihre Mutter. Ihr Optimismus war schon fast unglaubwürdig. Normalerweise würde eine Mutter, die ihr Kind wirklich liebt, wahrscheinlich an so einer Situation zerbrechen, doch Chloes Erziehungsberechtigte kommt beinahe so rüber als wäre sie nur auf die Aufmerksamkeit der Medien aus. Ihr positives Denken ging mir wirklich auf die Nerven.

Wie schon erwähnt kam Chloes für mich im Laufe des Buches immer oberflächlicher rüber. Obwohl es dann wieder Stellen gab, an denen sie nachdenklich, ruhig und bedacht beschrieben worden ist. Trotzdem war sie in Anwesenheit des Entführers sehr naiv. Der Geiselnehmer war mir auch sehr unsymphatisch. Dieses ganze "nein, wir dürfen nicht" war nervig, auch wenn es vielleicht berechtigt war. Aber dieses ganze Hin und Her war teilweise wirklich anstrengend. Beide - Chloe und der Entführer - waren nicht mein Geschmack von Charakter.

Vielleicht kann es auch an der deutschen Übersetzung gelegen haben, dass ich die Geschichte so plump fand. Vielleicht ist sie in englisch viel gefühlvoller und angenehmer erzählt. Doch ein Großteil - besonders die Charaktere - werden im Original bestimmt auch nicht viel symphatischer sein.

 

FAZIT

Wenn man über dieses ernste Thema ein Buch schreiben will, sollte mehr herauskommen, als es bei Edeet Ravels "Du liebst mich nicht" der Fall war.  Schreibstil, Sprache und Setting waren in Ordnung, doch das sind leider nicht die einzigen Kritikpunkte bei einem Buch. Mit gefühlskalten Charakteren konnte mich die Autorin überhaupt nicht an die völlig unaufregende Geschichte fesseln. Aus dieser Idee hätte man so viel mehr machen können.