Rezension

Geheimnisse – Lovestory, Drama und Krimi in einem

Kleine Feuer überall
von Celeste Ng

Bewertet mit 4 Sternen

Es brennt! In jedem der Schlafzimmer hat jemand Feuer gelegt. Fassungslos steht Elena Richardson im Bademantel und den Tennisschuhen ihres Sohnes draußen auf dem Rasen und starrt in die Flammen. Ihr ganzes Leben lang hatte sie die Erfahrung gemacht, »dass Leidenschaft so gefährlich ist wie Feuer«. Deshalb passte sie so gut nach Shaker Heights, den wohlhabenden Vorort von Cleveland, Ohio, in dem der Außenanstrich der Häuser ebenso geregelt ist wie das Alltagsleben seiner Bewohner. Ihr Mann ist Partner einer Anwaltskanzlei, sie selbst schreibt Kolumnen für die Lokalzeitung, die vier halbwüchsigen Kinder sind bis auf das jüngste, Isabel, wohlgeraten. Doch es brennt. Elenas scheinbar unanfechtbares Idyll – alles Asche und Rauch?
 

Die Autorin:

Celeste Ng (sprich: Ing) wuchs auf in Pittsburgh, Pennsylvania und in Shaker Heights, Ohio. Ng studierte in Harvard und machte ihren Master an der University of Michigan. Sie schrieb Erzählungen und Essays, die in verschiedenen literarischen Magazinen erschienen und mit dem Hopwood Award und dem Pushcart Prize ausgezeichnet wurden. 'Was ich euch nicht erzählte', ihr erster Roman, war ein New York Times-Bestseller, der, vielfach prämiert, in 20 Sprachen übersetzt wurde und auch verfilmt wird.

Reflektionen:

Shaker Heights in Ohio ist ein auf dem Reißbrett skizzierter Ort, in dem gut situierte amerikanische Familien wohnen und ein mehr als angenehmes Leben leben. Doch plötzlich steht Familie Richardsons vor ihrem brennenden Haus und ihre jüngste Tochter Izzy ist spurlos verschwunden. 

Die Geschichte beginnt rückblickend ein Jahr zuvor. Im gemäßigten, aber angenehmen Tempo führt Celeste Ng den Leser in das Familienleben der Richardsons ein. Auch wenn in Shaker Heights das Zusammenleben aller harmonisch erscheint, sorgt die jüngste Tochter der Familie dafür, dass der Familienfrieden immer wieder erschüttert wird. Die tatsächlich zunächst unsympathisch wirkende 14jährige Izzy hat die Rolle des schwarzen Schafs in der Familie eingenommen. Sie tickt einfach anders, hält sich kaum an Regeln, sagt was sie denkt und reizt damit die Nerven der Familienmitglieder bis aufs Letzte.

Celeste Ng baut zuverlässig, Seite um Seite, eine psychologisch gut durchdachte Spannung auf, die den Leser in einen unwiderstehlichen Sog entführt, der immer wieder mit Wendungen einhergeht. Auf sanfte Weise und mit einer ansprechenden Portion Humor, entführt sie in das Leben dieser amerikanischen Familien, die letztendlich vor den tragischen Trümmern ihres Lebens stehen. Bis dahin aber, zeichnet Celeste Ng ein bewegendes Jahr.

Mia, Künstlerin und Fotografin, zieht mit ihrer Tochter Pearl fast rastlos von einem Ort zum anderen. Kaum sind sie irgendwo angekommen, packen sie schon wieder ihre sieben Sachen. Doch nach Ankunft in Shaker Heights verspricht sie ihrer jugendlichen Tochter, dass sie dieses Mal bleiben würden. Obwohl sie weder gesellschaftlich noch sozial in diesen beschaulichen Ort passen, knüpfen Mia und Pearl bald einen engen Kontakt zur Familie Richardson. Während Mia für die Richardsons arbeitet, schließt Pearl innige Freundschaften zu den drei jugendlichen Richardson Kindern. 

Das Leben von Mia und Pearl unterscheidet sich extrem von dem der betuchten Richardsons. Langsam beginnen Konflikte zu schwelen, die beider Leben zunächst durcheinanderwirbeln, bis sie sie letztendlich erschüttern und in Tragik umwandeln.

Celeste Ng nimmt sich Zeit, den Leser langsam in die Geschichte hineinzuführen. Es gelingt ihr scheinbar spielend leicht, die Unterschiede der beiden Familienleben herauszuschreiben, so dass sie mit einer gesunden Portion Dramatik, die daraus entstehenden zwischenmenschlichen Konflikte, glaubwürdig erzählt. Die Prosa nimmt es mit einer emotionalen Lovestory, knisterndem Krimi und spannendem Drama auf. Der psychologische Aufbau ist gekonnt und mündet im Nervenkitzel und trotz, dass die Story eine Sogwirkung besitzt, kämpft man ab und an gegen Längen, die nur die interessanten Perspektivwechsel kaschieren können.

Celeste Ng besitzt einen angenehm flüssigen Schreibstil, der federleicht zu lesen ist. Die Figuren sind liebevoll bis detailliert gezeichnet und so umfassen sie interessante und facettenreiche Charakterzeichnungen.

Im Mittelpunkt stehen vor allem die Tochter-Mutter-Beziehungen, in denen Celeste Ng verdeutlicht, wie unterschiedlich die Herangehensweise von Konfliktlösungen sein können, die entsprechend des sozialen Umfelds und der jeweiligen Vergangenheit der Mütter nicht unterschiedlicher hätten sein können. Innerhalb der Perspektiven gewährt Celeste Ng immer wieder Rückblicke in die Vergangenheit von Mia, die Pearl bis heute verschwiegen hat, wer ihr Vater ist und einige weitere Geheimnisse mit sich herumträgt.

Fazit und Bewertung:

Kleine Feuer überall ist ein beschaulicher, schöner und eher ruhiger Roman mit angenehmer Sogwirkung. In gemäßigtem Tempo taucht man ein in die Leben zweier amerikanischer Familien, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Die Prosa nimmt es mit einer emotionalen Lovestory, knisterndem Krimi und spannendem Drama auf. Der psychologische Aufbau ist gekonnt und mündet im Nervenkitzel. Einzig ein paar Längen stören die Spannung. 

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