Rezension

Geheimnisvoller Salinger

Das verborgene Leben des J. D. Salinger - Kenneth Slawenski

Das verborgene Leben des J. D. Salinger
von Kenneth Slawenski

Salinger hat mit seinem Roman "The Catcher in the Rye" ein Millionenpublikum begeistert. Sein weiteres Werk ist schmal: Zwei Bände mit jeweils zwei Erzählungen, einer mit neun Kurzgeschichten; weitere Geschichten nur in Zeitschriften. Als junger Mann war er auf der Suche nach Ruhm, aber als dieser eintrat, zog sich Salinger zurück: Er lebte in einem kleinen Dorf, verweigerte Interviews, hatte immer weniger Kontakte und überwachte die Veröffentlichung seiner Werke streng. Bis zu seinem Tod hat er gearbeitet, aber nichts mehr veröffentlicht. Dieser ungewöhnliche Rückzug ins innere Exil machte seine Fans natürlich neugierig: Wie lebt ihr Idol? Wo sind die Parallelen zwischen seinem Leben und seinem Werk?

Kenneth Slawenski gehört zu diesen Fans. Jahrelang betrieb er eine Fan-Webseite und arbeitete an einer Biographie, die er kurz vor Salingers Tod abschloss. In ihr zeichnet er Salingers Leben nach und stellt sein Werk und dessen Entstehung vor. Dabei gibt es jeweils kurze Inhaltsangaben - das ist besonders hilfreich, weil ja die meisten Kurzgeschichten nur in Zeitschriften veröffentlicht wurden und nicht mehr erhältlich sind. Slawenski gibt auch einige Interpretationsansätze, und er sucht nach Parallelen zu den Erlebnissen des Autors. So ist das Buch eine Fundgrube für Salinger-Fans. Ich habe es mit viel Interesse gelesen. Einziger Wermutstropfen: Slawenski vergöttert nicht nur sein Idol, er ist sich auch seiner eigenen Interpretation sicher, für mich etwas zu sehr. Das führt dann zu solchen Sätzen wie: "... und er ging nicht ins Ritz, um Hemingway seine Ehrerbietung zu erweisen, sondern um sein rechtmäßiges literarisches Erbe anzutreten." (S. 105) oder "Zum ersten Mal stellt sich J.D. Salinger die Frage: Wo ist Gott?" (S. 110) oder "An den Nachmittagen praktizierten sie Meditation und Yoga. Nachts kuschelten sie sich aneinander und lasen zusammen..." (S. 263). Für meinen Geschmack etwas zu viel Interpretation - ob das Salinger gefallen hätte, ist zu bezweifeln.