Rezension

Geht unter die Haut

All die verdammt perfekten Tage
von Jennifer Niven

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt.
Ist heute ein guter Tag zum Sterben?, fragt sich Finch, sechs Stockwerke über dem Abgrund auf einem Glockenturm, als er plötzlich bemerkt, dass er nicht allein ist. Neben ihm steht Violet, die offenbar über dasselbe nachdenkt wie er. Von da an beginnt für die beiden eine Reise, auf der sie wunderschöne wie traurige Dinge erleben und großartige sowie kleine Augenblicke – das Leben eben. So passiert es auch, dass Finch bei Violet er selbst sein kann – ein verwegener, witziger und lebenslustiger Typ, nicht der Freak, für den alle ihn halten. Und es ist Finch, der Violet dazu bringt, jeden einzelnen Moment zu genießen. Aber während Violet anfängt, das Leben wieder für sich zu entdecken, beginnt Finchs Welt allmählich zu schwinden…

Charaktere.
Theodore Finch und Violet Markey. Sie lernen sich auf dem Glockenturm der Schule kennen, beide kurz vor dem Selbstmord. Finch bewahrt Violet davor, ihrer Schwester in den Tod zu folgen, die vor fast einem Jahr bei einem Autounfall starb und über deren Verlust Violet noch nicht hinweg gekommen ist. Sie schließt sich vom Leben aus, plädiert auf "mildernde Umstände". Finch ist der erste, der das nicht akzeptiert. Auf der Suche nach sich selbst und auf der Flucht davor, in eine Schublade gesteckt zu werden, nimmt er Violet kurzerhand mit. Seine exzentrische Art wurde sehr authentisch dargestellt. Mal ist er der brave Finch, mal der knallharte, mal ein Kerl aus den Achtzigern. Er probiert sich aus und beeindruckt damit den Leser, der sich in mancher Situation gern Finchs Offenheit und Schamlosigkeit wünscht. Doch darunter versteckt sich ein kaputter, rastloser Mensch.

Violet findet dank Finch zurück ins Leben, kann wieder Autofahren und beginnt wieder, zu schreiben. Auf dem Höhepunkt ihrer neu entdeckten Lebensfreude merkt sie, dass Finch gar nicht so hoch zu fliegen scheint wie sie.

Meinung.
Ein Tabuthemenbuch, wie ich es liebe, denn es geht um Selbstmord. Um selbstmordgefährdete Jugendliche, ihren Umgang damit und ihren Weg zurück ins Leben. Bei Suizidgefährdung handelt es sich um ein komplexes Thema mit vielschichtigen Ursachen und Symptomen. "All die verdammt perfekten Tage" versucht, einen Überblick zu verschaffen, auf das Thema aufmerksam zu machen und zu sensibilisieren. 
Mit Erfolg.
Der berührende Schreibstil und die authentischen Charaktere bringen dem Leser das Thema nahe. Dahinter steht die Aufforderung, die Augen für die kleinen und großen Wunder des Lebens zu öffnen und nicht nur einmal hat das Buch mir Tränen in die Augen getrieben. 
Da sieht man gern darüber hinweg, das die Ursache für Finchs Selbstmordgedanken nur sehr, sehr oberflächlich behandelt wird. 
Allerdings muss ich diesem Buch eine Triggerwarnung aussprechen.Als Trigger bezeichnet man in der Psychologie einen Auslösereiz und meiner Meinung nach könnte diese Geschichte die negativen Empfindungen von Lesern verstärken, die gedanklich mit Finch und Violet auf dem Glockenturm stehen.
Für alle anderen ist das Buch ein Tritt in den Hintern, sich bewusst zu machen, wie verdammt gut es ihnen eigentlich geht.