Rezension

Geister

Geister
von Nathan Hill

Manchmal sehe ich ein Buch und weiß sofort, ohne auch nur einen Blick auf den Klappentext zu werfen, dass ich es lesen muss. Geister von Nathan Hill ist ein solches Buch, bei dem ein einziger Blick auf das Cover gereicht hat, mich zu verlieben.

Geister ist eines dieser Bücher, bei denen es gar nicht so sehr um den Inhalt geht. Und der ist auch eigentlich viel zu komplex, um ihn zusammenzufassen. Hier werden so viele Themen angeschnitten und vertieft, so viele Aspekte des Lebens und der Geschichte beleuchtet, über so viele Jahrzehnte erzählt. Die Geschichte erstreckt sich von 1968 bis 2011 und immer wieder geht es um den Literaturprofessor Samuel und seine Mutter, zu der er 20 Jahre lang keinen Kontakt hatte, aber auch um viele andere Menschen und ihre Schicksale.

"Hätte Samuel gewusst, dass seine Mutter weggehen würde, hätte er vielleicht besser aufgepasst, [...], sich ein paar wichtige Dinge aufgeschrieben. Vielleicht hätte er sich auch anders verhalten, anderes gesagt, wäre ein anderer Mensch gewesen. Vielleicht ein Kind, für das es sich gelohnt hätte zu bleiben."
(Seite 11)

Im Vordergrund stehen keinesfalls die historischen Ereignisse wie die Chicagoer Aufstände oder Occupy Wall Street, sondern die Menschen. Und vermutlich ist es genau das, was mich an Geister so fasziniert hat. Die Tiefe mit der Nathan Hill seine Figuren gezeichnet hat, ihre Authenzität und Vielschichtigkeit. Bevor man also versucht, Geister thematisch in eine Schublade zu stecken und herauszufinden, worum es eigentlich geht, kann man wohl am besten sagen: es geht um die Menschen, ihre Geschichten und ihre Beweggründe und die Entscheidungen, die sie treffen.

Nathan Hills Schreibstil ist ruhig, angenehm, manchmal vielleicht ein bisschen träge. Dass der Roman über 860 Seiten umfasst, habe ich beim Lesen aber nicht gemerkt, im Gegenteil, ich war überrascht, wie schnell ich ihn ausgelesen hatte. Ich habe schon länger keinen amerikanischen Gesellschaftsroman mehr gelesen und ich kann mich nicht erinnern, jemals einen gelesen zu haben, der mir so gut gefallen hat und den ich so verschlungen habe.

Geister ist ein beeindruckendes Debüt und ich bin sehr gespannt, was und worüber Nathan Hill als nächstes schreiben wird. Lesen werde ich es in jedem Fall.

(c) Books and Biscuit