Rezension

Gelungene Fortsetzung

Godspeed - Die Suche - Beth Revis

Godspeed - Die Suche
von Beth Revis

Bewertet mit 4 Sternen

„Godspeed – Die Suche“ ist der zweite Band der dystopischen Science-Fiction-Trilogie von Beth Revis. Der Auftakt dieser Jugendbuchreihe, „Die Reise beginnt“, hatte mich durch seine gelungene Idee und viele unerwartete Wendungen überzeugen können. Im Großen und Ganzen ist das auch der Fortsetzung gelungen…

Zum Inhalt: Das Leben auf der Godspeed wird gefährlicher. Nachdem Junior, der als viel zu junger Anführer von vielen nicht akzeptiert wird, die Droge Phydus abgesetzt hat, brodelt es in der Bevölkerung. Zudem erfährt Junior von den Technikern, wie es tatsächlich um das Raumschiff bestellt ist – für einen so langen Aufenthalt im All war es nie gedacht, der Zerfall hat längst begonnen.
Amy ist sich unterdessen ihrer Gefühle für Junior nicht sicher und fühlt sich zudem auf dem Schiff immer unwohler. Zudem entdeckt sie, dass Orion, der eingefroren auf dem Kryo-Deck zurückgeblieben ist, ihr eine Aufgabe zugeteilt hat. Er hat etwas über die Zentauri-Erde herausgefunden und stellt Amy vor eine schwere Entscheidung…

Es geht also weiter auf der Godspeed. Noch gut erinnere ich mich an das beklemmende, frustrierende Gefühl am Ende des ersten Bandes, als heraus kam, dass die Godspeed ihre Mission, das Landen auf der Zentauri-Erde, vielleicht niemals erfüllen würde, da sie schon lange hinter dem Zeitplan zurück liegt, und die gesamte Bevölkerung mit Drogen und Illusionen dazu gebracht wurde, den Lügen des Ältesten zu glauben. Junior will das als neuer Ältester ändern. Er befreit die Bewohner der Godspeed von den Drogen und versucht das Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Schnell fallen ihm dabei Ungereimtheiten in der Geschichte des Ältesten auf. Wie ist es wirklich um das Schiff bestellt? Steckt noch mehr hinter der Legende der Seuche? Können sie die Zentauri-Erde jemals erreichen? Wie weit sind die überhaupt noch entfernt?

So sehr Junior sich auch bemüht die Geheimnisse aufzudecken und das Schiff dem Ziel seiner Mission näher zu bringen, er muss schnell feststellen, dass die Bevölkerung ohne Phydus für ihn schwer zu kontrollieren ist. Ihm fehlt die Autorität des Ältesten, außerdem möchte er auch gar nicht wie dieser sein. Doch jetzt, wo die Menschen selbst denken, im Archiv Bücher über die Geschichte der Sol-Erde lesen, fangen sie auch an, sich nach Mitbestimmung zu sehnen. Die Autorin legt hier ein großes Augenmerk auf die gesellschaftlichen und politischen Strukturen der Godspeed und setzt die Konflikte gut um. Letztendlich betreten die Menschen hier Neuland. Politische und soziale Systeme sind ihnen unbekannt, das Ältesten-System hat seit Generationen aufgrund des Phydus funktioniert. Nach drei Monaten ohne die Droge beginnen sie sich diesem zu widersetzen. Führt Junior die Bewohner des Raumschiffes ins Chaos?

Junior selbst steht zwischen diesen Konflikten. Eine Stärke der Autorin zeigt sich auch hier: Sie scheut nicht davor zurück, ihren Hauptfiguren auch unsympathische Charakterzüge angedeihen zu lassen. Junior möchte nicht werden wie der letzte Älteste, diese Dominanz liegt ihm eigentlich nicht. Dennoch, konfrontiert mit den Konflikten und dem drohenden Chaos auf dem Schiff auf der einen Seite und seiner großen Verantwortung auf der anderen, ist auch er in dem behaftet, was er gelernt hat: Die diktatorische Form des Ältesten-Systems aufzugeben, kommt ihm kaum in den Sinn. Welche Methoden sind also die richtigen? Seine Überforderung ist spürbar und nachvollziehbar. An dieser Stelle wird „Die Suche“ zur moralischen Charakterentwicklung für Junior und diese Aspekte sind der Autorin sehr gut gelungen.

Schwerer zu verstehen dagegen ist Amy. Sie ist wie Junior eigentlich auch hin und hergerissen, aber unterstützt ihn auf politischer Ebene nicht, wie erhofft. Ich hätte hier von ihre mehr erwartet, denn als Bewohnerin der Sol-Erde kennt sie als einzige die gesamte historische Bandbreite gesellschaftlicher Modelle. Sie könnte Junior dabei unterstützen, den richtigen Weg zu finden, doch von ihrem Hass und ihrer Angst kommt sie nicht los. Ihre Beziehung zu Junior, die sie jedoch nicht richtig zulassen kann, stärkt sie ein wenig, aber die Furcht vor den anderen Bewohnern und der Hass auf Orion fressen sie auf. Sie wirkt ein bisschen verloren, hat als Charakter zwar auch manchmal ihre starken Momente, besonders auf der Suche nach Orions Botschaften, meistens aber wirkte sie ein wenig eindimensional. Ihr Hass auf einzelne nimmt fast groteske Züge an und sie wird kaltherziger, also ich es in anderen Situationen bei ihre für möglich gehalten hätte, denn auf eine gewisse Weise ist sie ein sehr zarter, zerbrechlicher Charakter, mit dem ich mitfühlen konnte.

Schreibstil und Handlung können wie schon im ersten Band überzeugen. Der Perspektivwechsel zwischen Amy und Junior ist ein gutes Mittel um die verschiedenen Blickwinkel auf der Godspeed einzufangen. Die Handlung ist spannend und wie schon im ersten Band warten einige überraschende Wendungen auf den Leser. Auch das beklemmende Gefühl der Enge des Raumschiffs und der Aussichtslosigkeit der Situation - Amys Träume von einer Welt ohne Wände – wird wieder gut eingefangen. Mit großen Emotionen, ausdrucksstarken Bildern und gefühlsintensiven Momenten spart die Autorin nicht. Kleinere Logiklücken beim Betrieb des Schiffes sind zu verzeihen beziehungsweise fallen kaum auf, wenn man nicht zu sehr darüber nachdenkt.
Am Ende schafft es Revis dieses Mal nicht mit einem ähnlichen Paukenschlag abzuschließen wie im ersten Band. Dennoch ist das Potential für den Abschluss der Trilogie da und sie wird von mir mit Spannung erwartet.

Fazit: Spannend, überraschend und abwechslungsreich präsentiert sich auch der zweite Band der Godspeed-Trilogie. Mit einer Weiterentwicklung der Charaktere sowie der Gesellschaft des Raumschiffs überzeugt „Die Suche“ wie schon der Vorgänger. Einziger Schwachpunkt: Amy. Sie bleibt in ihrer Entwicklung stehen und ist nicht immer nachzuvollziehen. Gute 4 Sterne