Rezension

Gelungener Auftakt eines Zeitreiseromans

Time Travel Girl: 1989 - Susanne Wittpennig

Time Travel Girl: 1989
von Susanne Wittpennig

Bewertet mit 5 Sternen

"...Es scheint, als ob der Schöpfer dir etwas gelingen lassen will, was er bis jetzt noch keinen Menschen anvertraut hat. Dir ist aber klar, dass damit auch eine große Verantwortung einhergeht?..."

 

Wir schreiben den August 1989. Die 15jährige Lisa lebt bei ihrem vier Jahre älteren Bruder und dessen neuer Freundin. Die Eltern sind vor einigen Jahren ums Leben gekommen. Lisa besucht mit ihrer Freundin Britt, dem hochbegabten Zac und Morgan eine Privatschule. Zac tüftelt gerade an einer Zeitmaschine. Morgan ist Lisas Spielgefährte aus Kindertagen. Dann hatten sich ihre Wege eine Zeit lang getrennt. Momentan ignoriert er sie.

Die Autorin hat ein spannendes Jugendbuch geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell gefesselt. Zwar spielt sie zum großen Teil im Jetzt und Hier, doch erste Elemente eines Zeitreiseromans sind schon enthalten.

Die Protagonisten wurden gut charakterisiert. Lisa interessiert sich für Informatik. Außerdem zeichnet sie ihr unbedingte Gerechtigkeitssinn aus, der sie vor allem bei Professor Ash häufig in Schwierigkeiten bringt. Sie liebt Morgan.

Zac ist der Sohn des Physikers und Nobelpreisträgers Levi Silverman. Seine fachlichen Kenntnisse sind hervorragend, doch im täglichen Leben hat er Probleme.

Morgan redet wenig. Bei den Mädchen ist er beliebt. Erst ist Laufe des Romans erfahre ich als Leser, was den einst aufgeschlossenen Jungen so verändert hat. Seine schulischen Leistungen lassen zu wünschen übrig.

Der Schriftstil des Buches lässt sich angenehm lesen. Die Probleme in der Schulklasse sind sehr realistisch. Mobbing und Grüppchenbildung gehören zum Alltag. Es gibt Lehrer, bei denen können sie machen, was sie wollen. Der Physiklehrer Professor Ash allerdings verbreitet Angst, ist pädagogisch unfähig und zeigt den Schülern auf fiese Art, was sie nicht können.

Sehr schön werden die Handlungsorte beschrieben. Ich konnte mir die Gegend gut vorstellen. Passende Metapher machen das möglich.

Physikalische Begriffe und Grundlagen werden zum großen Teil allgemeinverständlich dargelegt. Dabei werden bekannte Tatsachen und örtlich auftretende Phänomene geschickt zur Theorie der Zeitmaschine verbunden.

Viel Wert legt die Autorin auf die Wiedergabe der Emotionen ihrer Protagonisten. Lisas Sehnsucht nach Morgan, ihre Angst bei der ersten kurzen Zeitreise, Professor Ashs Überheblichkeit und Frauenfeindlichkeit sind nur wenige Beispiele dafür.

Zu den stilistischen Höhepunkten gehören für mich die Gespräche zwischen Levi Silverman, Lisa und Zac. Obiges Zitat stammt von Silvermann. Man sollte es sich auf der Zunge zergehen lassen, denn darin stecken eine Menge wichtiger Wahrheiten. Sehr detailliert diskutiert Silverman mit den beiden Jugendlichen auch die Möglichkeit der Zeitreise und ihre Folgen. Doch Silverman ist nicht nur Wissenschaftler, er verfügt über ein gute Menschenkenntnis. Ihm habe ich es als Leser zu verdanken, dass ich über die Vergangenheit von Morgan und Archibald Ash aufgeklärt werde.

Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass die Autorin die Zeitverhältnisse um 1989 sehr genau wiedergibt. Die moderne Technik hält langsam Einzug, aber noch nicht jeder kann sie sich leisten. Lisa kämpft mit den Tücken des Kassettenrecorders.

Als besonderes Stilmittel ermöglicht die Autorin insbesondere Lisa ohne Zeitreise einen Blick in das Jahr 2018. Wie? Das möge der künftige Leser selbst herausfinden.

Das Cover in Gelb- und Orangetönen mit der jungen Frau im Kreis der Uhr und dem jungen Mann im Hintergrund wirkt auffallend. Als Leser hat man den Eindruck, von beiden angeblickt zu werden.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Hier wird nicht nur eine spannende Geschichte erzählt, sondern fast unaufdringlich auch die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt. Ich bin gespannt auf die Fortsetzung.