Rezension

Gelungener Fantasy-Roman, trotz einiger Längen

Das Mädchen, das Geschichten fängt - Victoria Schwab

Das Mädchen, das Geschichten fängt
von Victoria Schwab

Nach dem Tod ihres Bruders zieht Mac mit ihren Eltern ins Coronado, ein altes zu Wohnungen umgebautes Hotel. Ihre Mutter stürzt sich in Trauer auf ihr neuestes Projekt, während ihr Vater nur noch für seine Arbeit zu leben scheint. Und Mac? Die hat alle Hände voll zu tun. Denn sie arbeitet als Wächterin im Archiv, und sorgt dafür, dass keine Chroniken (also die Geschichten der Toten) verloren gehen. Klingt verrückt? Ist es auch. Zumal immer mehr Chroniken zu verschwinden drohen und Mac der entsetzliche Verdacht beschleicht, dass irgendwer die Lebensgeschichten der Chroniken manipuliert und löscht. Zusammen mit dem anderen Wächter Wesley, macht sie sich auf die Suche nach der Wahrheit dieses Rätsel, das langsam aber sicher die Grenzen zwischen Leben und Tod verwischt...

Ich war sehr gespannt auf diese völlig andersartige Geschichte. Sowas hatte ich bis jetzt noch nicht häufig gelesen, und ich muss sagen, dass Victoria Schwab hier ein wunderschönes Jugendbuch geglückt ist.

Mac ist eine wirkliche nette und angenehme Protagonistin. Sie ist stark, relativ selbstbewusst und das Gegenteil von so manchen verweichlichten Mädchen in anderen Büchern. Ihren Job im Archiv nimmt sie sehr ernst, wenn sie auch häufiger an der Grenze zur Kriminalität läuft. Denn, ich sage es mal so, sie kennt so einige Schlupflöcher! ;) Zum einen besucht sie öfter die Schublade, oder viel mehr die Chronik ihres toten Bruders, redet mit ihm über belanglose, alltägliche Sachen aus ihrem Leben und dem ihrer Eltern. Ich fand es wirklich herzerwärmend wie sehr sie ihren Bruder vermisste, dass es ihr egal war, ob sie nun Ärger wegen der Besuche bekam oder nicht. Es ist nämlich strengstens verboten, die Chroniken zu besuchen. Doch immer wieder findet sie einen Weg um ihren Bruder zu treffen, auch häufig mit Hilfe des Bibliothekars Roland. Ich mochte ihn enorm gerne! Er war, trotz seines gelegentlich autoritären Verhaltens, eine Stütze für Mac. Die beiden kennen sich schon seit Mac klein ist, und sie zum ersten Mal mit ihrem Großvater, einem früheren Wächter, in der Bibliothek aufgelaufen ist. Er war ein charmanter und toller Charakter, genauso wie Anthony, Mac's Großvater. Die häufigen Rückblenden zu ihm waren wirklich sehr interessant und lehrreich, da man durch sie viel über das Leben als Wächter im Archiv erfährt.

Wesley, einen weiteren Wächter, habe ich ab der ersten Seite an ins Herz geschlossen. Er ist so ein verdammt toller, herzensguter, witziger, charismatischer und sympathischer Kerl! Ich habe ihn einfach sehr gern gehabt! Macs „normale“ Freundin Lindsey fand ich auch total nett. Sie hat keine riesige Rolle gespielt, aber sie war trotzdem ein wichtiger Teil in Macs Leben; das hat man immer wieder gespürt. Den Einzigen, den ich echt nicht leiden konnte, war Owen. Von Anfang an war er mir nicht wirklich Geheuer. Ich habe immer wieder gedacht: „Der hat doch Dreck am stecken!“ Er war mir einfach so geheimnisvoll, zu suspekt und seltsam, und leider auch einfach nicht sehr sympathisch. Die sogenannten Narrows, haben mich seltsamerweise immer an die Silber-Trilogie von Kerstin Gier erinnert, da dort auch immer von Türen und Schlössern die Rede ist. Hat mich keinesfalls gestört, ist mir nur während des Lesens mehrfach aufgefallen.

Insgesamt ist der Spannungsbogen alles andere als hoch; wer also auf viel Action aus ist, wird mit diesem Buch wenig bedient sein. Die Geschichte ist trotzdem sehr interessant, obwohl ich gestehen muss, dass sie mich leider nicht gefesselt und mitgerissen hat, was zum Teil auch daran lag, dass es zwischenzeitlich Passagen gab, die weniger mein Interesse geweckt haben. Das Ende wiederum war mehr als spannend, wenn auch leicht vorhersehbar...

Ein paar Logikfehler gab es auch, zum Beispiel, dass ihre Eltern es immer geflissentlich übersahen, wenn Mac mit neuen und zahlreichen blauen Flecken nach Hause kam. Die meisten waren aber nicht so präsent, dass man nicht drüber hinwegsehen konnte. Der Schreibstil war unglaublich schön: Sehr angenehm und flüssig zu lesen.

Fazit: Ein gelungener Fantasy-Roman mit völlig neuem thematischen Hintergrund. Auf jeden Fall empfehlenswert, wenn man aufgrund fehlender Action ein Auge zudrücken kann!