Rezension

Gelungener Roman über eine interessante Nebenfigur der Geschichte

Revolution im Herzen - Claudia Beinert, Nadja Beinert

Revolution im Herzen
von Claudia Beinert Nadja Beinert

Bewertet mit 4.5 Sternen

Helena, genannt Lenchen, Demuth wächst in St. Wendel in ärmlichen Verhältnissen auf und geht nach dem Tod ihres Vaters zum Dienen in die Stadt. Durch einen glücklichen Zufall bekommt sie in Trier eine Stellung bei der Familie von Westphalen, wo sie nicht nur mit Jenny, der Tochter des Hauses, eine freundschaftliche Beziehung aufbaut, sondern auch den jungen Karl Marx kennen lernt, Jennys späteren Ehemann. Während des Brüsseler Aufenthaltes der Marxens, wird Helena zu ihnen geschickt, und verlässt die Familie fortan nicht mehr.

Helena Demuth ist eine historische Person, die eng mit Karl Marx' Familie verbunden und schnell mehr als nur deren Dienstmädchen war. Dass Claudia und Nadja Beinert anlässlich des 200. Geburtstags des berühmten Trierers ein Buch über Lenchen Demuth schrieben, begrüße ich sehr. Karl Marx erhält sicher genug andere Würdigungen, Lenchen aber hat es verdient, dass man sich an sie erinnert. Erst kürzlich traf ich sie in einem anderen Roman (Und Marx stand still in Darwins Garten), der mich neugierig auf diese Frau machte. Schön, dass die Beinert-Schwestern nach Margarethe Luder im letzten Jahr nun einer weiteren historischen Nebenfigur Stimme geben.

Und das ist wörtlich gemeint, denn die Autorinnen lassen Lenchen selbst in ich-Form sprechen, was dem Buch eine ganz besondere Atmosphäre gibt, man betrachtet Karl und Jenny Marx, Friedrich Engels und andere aus ihren Augen. Natürlich spielt Marx' Theorie und sein Werk dennoch eine große Rolle, denn Lenchen interessierte sich sehr dafür und diskutierte auch mit.

Es waren schlimme Zeiten damals, nicht nur für die Fabrikarbeiter, Marx' Proletariat – ich denke, jeder kann hier nachvollziehen, wie Marx zu seinen Theorien kam. Da Karl Marx keine feste Anstellung hatte, lebte auch seine Familie immer wieder in Armut, und Lenchen mit ihnen, sie gehörte mittlerweile zur Familie und teilte Freud und Leid mit ihr. All das erlebt der Leser zusammen mit Lenchen, die Autorinnen nehmen ihn mit in die Mitte des 19. Jahrhunderts, mit in die Familie Marx, man hat das Gefühl mit dabei zu sein, leidet, trauert, freut sich mit ihnen. In einem sehr lesenswerten Nachwort erfährt der Leser die „wahre“ Geschichte bzw. inwiefern die Autorinnen ihre künstlerische Freiheit nutzten.

Die Charaktere sind den Autorinnen gut gelungen, wirken authentisch und lebendig, vor allem die Kinder sind bezaubernd und wachsen dem Leser schnell ans Herz. Mit Lenchen lernt der Leser eine ganze Reihe interessanter, teilweise sehr liebenswürdiger Charaktere kennen, hat aber auch ein paar unangenehme Begegnungen. Mit Lenchen allerdings habe ich ein kleines Problem, immer wenn ein Charakterzug auftritt, den ich schon an Uta von Naumburg, einem Charakter aus einem der anderen Romane der Autorinnen, nicht mochte, nämlich das Vorsichhinmurmeln. Offenbar haben die Beinert-Schwestern eine bestimmte Vorliebe für murmelnde Protagonisten.

Der Roman schildert nicht Lenchens ganzes Leben, sondern endet 1855, er erzählt aber einen sehr wesentlichen Teil nicht nur des Lebens der Protagonistin sondern auch der Familie Marx. Vielleicht lassen die Autorinnen ja irgendwann einmal einen zweiten Band folgen, mich würde es freuen und Stoff wäre sicher auch noch vorhanden.

Neben dem bereits erwähnten Nachwort finden sich weitere Boni: Eine Karte Sohos, wo die Marxens eine Zeit lang lebten und ein großer Teil des Romans stattfindet, ein Glossar, ein Personenverzeichnis, bei dem historische Personen extra kenntlich gemacht wurden, bibliographische Hinweise sowie ein Lied, das im Roman eine Rolle spielt. Sehr interessant sind auch die Auszüge aus der Preußischen Gesindeordnung.

Mir hat der Roman gut gefallen, mich stellenweise sehr berührt. Lenchen Demuths Leben und die historischen Ereignisse, an denen sie teilhatte, werden auch im Roman gut miteinander verwoben. Ich vergebe 4,5 Sterne und eine Leseempfehlung für Genrefans.