Rezension

Generationenkonflikt

Die Eismacher
von Ernest van der Kwast

Bewertet mit 4 Sternen

" Mein Vater war Eismacher, sein Vater war es gewesen, und sein Großvater hat damit angefangen....Ich will mit der Familientradition brechen" (Zitat, S. 73/74)

Die Talaminis aus dem Norden von Italien sind - wie viele in ihrem Dorf - Eismacher. Sie leben von März bis Oktober in Rotterdam und betreiben dort das Eiscafe Venezia. Im Winter kehren sie in ihr Dorf zurück. Die beiden Söhne Giovanni und Luca werden früh mit eingebunden in den Betrieb, doch Giovanni bricht aus. Er möchte keinen 17-Stunden-Tag im Sommer, er liebt Poesie und Lyrik und durch einen Kunden der Eisdiele lernt er eine andere Welt kennen.

Ernest van der Kwast (bekannt auch durch "Fünf Viertelstunden bis zum Meer") hat einen bemerkenswerten Generationenroman geschrieben, der einen tiefen Einblick in das Geschäft des Eismachens gibt. Es geht vor allem über Traditionen, die gebrochen werden, über Verpflichtungen, über Familie, aber auch über ein selbstbestimmtes Leben. Es geht um Verantwortung, Vater-Sohn-Beziehungen, aber auch die Beziehung zwischen den Brüdern und der Frau, die sie beide lieben.

Geschildert wird der Roman aus Sicht des "Ausbrechers" Giovanni, der die Bögen der Erzählung erst weit zurückschlägt, von dem ersten Eismacher der Familie, dem Urgroßvater. Über Legenden, die in der Familie kursieren über Wahrheiten. Schließlich auch die Bürde, die sein Vater trägt, der selber lieber einen anderen Beruf ergriffen hätte und eigentlich zeitlebens unwillig den Beruf des Eismachers ausübt. Aber es stand für ihn nie zur Debatte sich dem Erbe zu entziehen. Doch Giovanni lebt in einer anderen Generation, er will sich nicht in diese Schiene zwängen lassen und bricht aus. Dennoch, seine Wurzeln sind ihm stets bewusst. Und auch das, was er damit seinem Bruder Luca auferlegt hat.

Es ist ein Roman, der den Leser tief einführt in die Arbeit, die so ein Eiscafe macht. Wie viel auch (damals - heute?) die Familien bereit waren zu opfern. Freizeit, aber vor allem auch, die Kinder in der Heimat zurück zu lassen oder Arbeitsstunden, die man sich als 40-Wochen-Jobber kaum vorstellen vermag. Da gibt es aber auch die Liebe zum Eis, wie oft werden neue Geschmacksvariationen ersonnen, die beim Lesen Lust auf das eiskalte Vergnügen machen.

Berührt und nachdenklich gemacht haben mich vor allem die Generationenkonflikte, die in einem familienbetriebenen Betrieb von Generation zu Generation weiter gegeben werden. Dies ist dem Autor wunderbar gelungen, diese darzustellen.

Es fließt viel Poesie und Lyrik mit in diesen Roman, die berichteten Festivalreisen und dortigen Erlebnisse gehören zwar irgendwie auch zu dem Erzähler, als Gegenpol zum Eismachen, dennoch waren dies die Szenen, die mich etwas weniger interessierten, gleichwohl waren auch sie immer wieder mit teils skurrilen Erlebnissen gespickt und dadurch lebhaft dargestellt.

Fazit:
Ein Roman, der Lust auf Eis macht, aber auch die Licht- und vor allem Schattenseiten hinter der Verkaufstheke aufführt.
Ein Roman, der ein eindrucksvolles Generationenporträt mit Verpflichtungen und Bindungen, mit Selbstverwirklichung und Schuldgefühlen zeichnet.