Rezension

Geniale Idee am Ende verhaspelt

Smoke - Dan Vyleta

Smoke
von Dan Vyleta

Bewertet mit 3.5 Sternen

Dan Vyleta stellt eine Welt vor, in der Gier, dunkle Gedanken, Verbrechen und verruchte Wünsche durch Rauch und Ruß sichtbar werden. Je schlimmer und dunkler das Böse, desto stärker und fester der Rauch, der sich sogar bis zum Ruß materialisieren kann, dem schwärzesten Etwas, das Mörder ausstoßen. Eine Welt, in der Kinder erst mit ca. 12 Jahren lernen "das Böse" einigermaßen zu kontrollieren. Sterben sie vorher, kommen sie in die Hölle. Dies alles beschreibt eine faszinierende Idee und ist eine Vorstellung, die mir Gänsehaut bescherte. Das hörte sich nach einer ganz besonderen Geschichte an.

Sogar das Cover passt zur Geschichte und ihrem Inhalt, es verführt regelrecht dazu, das Buch in die Hand zu nehmen und es lesen zu wollen. Das Cover ist hier tatsächlich erwähnenswert, da es zum Grundgedanken des Buches passt.

Dan Vyleta erschafft mit seinem Schreibstil auch ein absolut passendes Setting. Es ist düster, es ist karg und trotz der vielen Sünden im "Rauchpott" London ist diese Welt sehr distanziert. Auch hier ist es so, dass Adlige und Reiche sich von der Arbeiterschicht und den Armen unterscheiden und diese auf Abstand halten. Sie haben ihre eigenen Elite-Schulen und wohnen auch außerhalb der großen Städte oder auf dem Land, wo es weniger Rauch gibt. Denn der Rauch brandmarkt! Je höher geboren desto weniger raucht man. So die Vorstellung und das, was man die Menschen glauben lässt. Eine korrupte englische Gesellschaft, die sich vom "bösen" Ausland abkapselt. Nichts darf unkontrolliert auf die Insel und keiner darf von der Insel ohne besondere Genehmigung. 

Dan Vyleta gelingt es auf der ebene der Gesellschaftskritik sehr gut aufzuzeigen, das Vielfältigkeit und Austausch, egal in welcher Form, wichtig ist und dem Fortschritt einer Gesellschaft dient. Gibt es keinen neuen Input, treten die Isolierten auf der Stelle und bleiben auf ihrer Entwicklungsstufe stehen. Der "kleine Mann" hat nicht die Zeit und Muse sich darüber Gedanken zu machen, da er mit seinem täglichen Überleben beschäftigt ist. Die Oberschicht jedoch weiß das und bricht ihre eigenen Regeln, da sie sich einem Fortschritt nicht entgegensetzen können, wenn sie weiterhin im Luxus leben wollen. An manchen Stellen hatte ich den Eindruck, dass Vyleta soger den Brexit-Entscheid in seine Geschichte gepackt hat. 

Ich folgte der Geschichte sehr gespannt! Durch einige unerwartete Wendungen und ausgefallene Ideen blieb ich am Ball und fieberte der Auflösung entgegen. 

Leider brach dann im letzten Drittel meine Begeisterung. Ich habe das Gefühl, dass der Autor sich in seiner eigenen Rauch-Idee verzettelt / verlaufen hat. Der Versuch, die in der Buchbeschreibung genannte Frage, welche Rolle der Rauch bei den sozialen und politischen Umbrüchen der Zeit spiel zu beantworten, entzweit das Buch in zwei Teile. Denn, auch wenn es keinen erkennbaren -Roten Faden- in der Geschichte gab, hat Dan Vyleta durch hervorgehobene Besonderheiten und Fragestellungen diese in eine bestimmte Richtung geleitet, aus der er dann am Ende gewaltig ausbricht. Als Leser blieb ich verwirrt zurück. Ich versuchte zu rekonstruieren, auf welcher Gabelung ich in eine andere Richtung gelesen habe als der Autor die Geschichte geschrieben hatte. Ich konnte einiges nicht nachvollziehen. Die Protagonisten vollzogen eine drastische charakterliche Veränderung, die für mich nicht glaubwürdig war. Ebenso blieben wichtige Fragen unbeantwortet. Selbst durch mehrmaliges Lesen eröffnet sich mir der Schluss nicht. Ich lese die Buchstaben, die Wörter, verstehe aber leider den Sinn dahinter nicht. Die Sensation am Ende ist an mir vorbeigegangen und ich wünsche mir einen Austausch von Mitlesenden, damit ich evtl. verstehe, was mir der Autor sagen wollte. 

Eine Geschichte darf durchaus ein offenes Ende haben, aus der sich verschiedene Alternativen ableiten lassen. Doch hier sehe ich keinen Punkt, von dem aus ich Alternativen oder Ideen entwickeln könnte. Ich fühle mich als bestellt und nicht abgeholt.

Der Erzählstil im letzten Drittel, bei dem nun immer mehr Personen in die Ich-Perspektive wechseln, stiftet mehr Verwirrung als Informationen. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Fazit:
Eine hervorragende neue Idee, dessen Umsetzung mich nicht vollends abholen konnte. Ein schöner Schreibstil, eine niveauvolle Geschichte mit einem seltsamen Ende.