Rezension

Gerechtigkeit siegt nicht immer

Der Mordfall Franziska Spiegel - Norbert Sahrhage

Der Mordfall Franziska Spiegel
von Norbert Sahrhage

Bewertet mit 5 Sternen

Dieser Krimi beruht auf einer wahren Geschichte, dem Mord an Franziska Spiegel, geborene Goldschmidt, (06.05.1905 - 04.11.1944).

Eindringlich und mit penibel recherchiert beschreibt Norbert Sahrhage den Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in der unmittelbaren Nachkriegszeit.

Gernot Zöllner, ein Kriminalbeamter, der während des NS-Regimes Berufsverbot hatte, wird wieder in den Dienst gestellt. Sein erster Fall ist der unaufgeklärte Mord an Franziska Spiegel. Gottfried Spiegel, der Witwer will endlich wissen, was damals im November 1944 wirklich passiert ist.

Zöllner geht den kleinsten Hinweisen nach, er ermittelt akribisch und scheitert. Obwohl er herausfindet, wer an der Ermordung von Franziska Spiegel beteiligt war, gelingt es ihm nicht, die Täter zu verhaften und vor Gericht zu stellen.

Jedes Mal, wenn er glaubt, endlich am Ziel zu sein, entschlüpfen die Täter. Entweder, weil sie selbst ermordet werden oder außer Landes gebracht werden. Den Drahtzieher, einen ehemaligen SS-Mann, der nun als Arbeitgeber in der Region großes Ansehen genießt, kann er nur ohrfeigen.

Zu seiner und Spiegels Enttäuschung wird der Fall 1949 endgültig ad acta gelegt. Gottfried Spiegel und sein Sohn verlieren verständlicherweise den Glauben an Deutschlands Justiz.

Meine Meinung:

Geschickt verknüpft der Autor einen echten Kriminalfall mit einem fiktiven Ermittler. Die Menschen und ihre Lebensumstände werden authentisch vermittelt.

Der Schreibstil ist bewusst karg, ja man könnte ihn als emotionslos empfinden. Die Gefühle sind eher unter der Oberfläche angesiedelt. Ich habe sehr wohl Anteilnahme am Schicksal Franziskas zwischen den Zeilen und durch Handlungen erlebt, siehe das Verhalten von Heinrich Bentrup und Giesbert Ahrens. Allerdings auch Gleichgültigkeit (der Dorfpfarrer, der die Beisetzung verweigert) oder die diffuse Angst, die grundsätzlich herrschte, wenn man nicht gerade ein strammer Nazi war.

Bei der Lektüre dieses Buches ist mir wieder die Wut hochgekommen. Es ist schier unglaublich, wie die alten Nazis nach einem, an eine Farce gemahnenden, Entnazifizierungsverfahren wieder in ihre ursprünglichen Berufe und Leben eintauchen können, ohne dass sie für die Gräueltaten belangt werden.

Einige ausgewählte Zitate zeigen die Geisteshaltung der Menschen:

„Machen Sie um die Sache nicht zu viel Aufhebens, es handelt sich doch nur um eine Jüdin.“ (S. 35)

„Das ist doch im Krieg geschehen, sagte er. Wir sollten das Kapitel abschließen.“ (S. 166)

"Rechtsstaat heißt nicht, dass immer und überall das Recht obsiegt." (S.223) Zöllners Vorgesetzter sieht die Ungerechtigkeit, ist aber nicht willens, um der Gerechtigkeit wegen, einen Verstoß gegen den Rechtsstaat zu dulden.

Fazit:

Ein anspruchsvoller Krimi jenseits des Mainstreams, der von mir fünf Sterne und eine absolute Leseempfehlung erhält.