Rezension

Gerissen und überraschend

Grischa: Die Hexe von Duwa - Leigh Bardugo

Grischa: Die Hexe von Duwa
von Leigh Bardugo

Bewertet mit 4.5 Sternen

Leigh Bardugo, Autorin von "Das Lied der Krähen", hat sich hier mal an einem Märchen für ältere Jugendliche und junggebliebene Erwachsene versucht, das vor einigen Jahren im Rahmen der Grischa-Trilogie erschienen ist und noch ein weiteres e-short ("Der allzu schlaue Fuchs") nach sich gezogen hat. Angesiedelt sind beide Geschichten in der russisch angehauchten Welt der Grischa (Magier), sie streifen die Thematik aber nur am Rande und können ohne Kenntnis des Dreiteilers und unabhängig voneinander gelesen werden.

Mir hat die Gerissenheit gefallen, mit der die Autorin vorgeht. Auf dem Holzweg war ich nämlich nicht nur einmal. Zunächst dachte ich „Ah, sie versucht sich an einer Aschenputtel-Variante“. Dann: „Doch eher Hänsel und Gretel?“. Schließlich glaubte ich, bei „Frau Holle“ gelandet zu sein. Aber die Richtung, die tatsächlich eingeschlagen wird, war definitiv ganz anders und sehr fies. Ich weiß ja nicht, wovon Leigh Bardugo nachts träumt, aber von bunten Einhörnern jedenfalls nicht - die Geschichte ist abgefahren, grausig und vor allem überraschend.

Die Protagonistin heißt Nadja und ist die Tochter des Schreiners Maxim. Nadja bekommt Angst, als ihr Vater nach dem Tod der Mutter wieder heiraten will. Dessen Auserwählte, die Witwe Karina, verhält sich mehr als seltsam und bald schon hat Nadja einen schlimmen Verdacht. Hat Karina etwas mit dem Verschwinden der vielen jungen Duwaer Mädchen zu tun?

Ein paar Absätze mehr, hätten vielleicht nicht geschadet. Vereinzelt wirkt der Plot etwas sprunghaft. Ansonsten konnte mich Leigh Bardugo aber komplett packen. Die Brüder Grimm hätten vor 200 Jahren auf jeden Fall ihre Freude an dieser dunklen, wahnsinnigen Geschichte gehabt und wohl lediglich das Ende massiv entschärft. 4,5 Punkte für ein zwar kurzes, aber trotzdem intensives, atmosphärisches und spannendes Märchen!