Rezension

Goldene Einsamkeit

Die goldenen Tage - Monica Sabolo

Die goldenen Tage
von Monica Sabolo

Bewertet mit 3 Sternen

Unbeschwert und leichtfüßig kommt das Buch daher – rein optisch gesehen. Und besonders viele Seiten hat es auch nicht. Verspricht also eine leichte Lektüre auf den ersten Blick. Doch die gut 200 Seiten von Monica Sabolo haben es in sich. Zwei Wochen liegt das Buch schon ausgelesen auf meinem Tisch und ich drücke mich vor dem Schreiben eines Leseeindrucks, weil ich mich immer noch recht verstört fühle von diesen jungen, reichen und so merkwürdig einsamen wie lebensmüden Menschen.

Hauptschauplatz ist Crans-Montana, ein Skigebiet in der Schweiz, welches auch im Sommer beliebt ist bei den Reichen und Schönen. Italiener, Franzosen und Deutsche mit der nötigen dicken Brieftasche bevölkern zur Ferienzeit die Region und konsumieren nur die edelsten Gaben. Es ist die Zeit Ende der 60er, der Zweite Weltkrieg ist über 20 Jahre her und dennoch in den Familien als Leer- und Tabustelle zu spüren. Die heranwachsende Generation leidet unter dem Trauma ihrer Eltern ohne es so recht zu bemerken. Oberflächlich geht es den jungen Menschen bestens. Sie müssen sich um nichts Gedanken machen. Es ist Geld in Hülle und Fülle vorhanden. Sie gehen aus und amüsieren sich. Doch zu echten Kontakten und tiefgehender Kommunikation sind sowohl die hübschen, begehrten Mädchen sowie die coolen, verknallten Jungs nicht fähig. Sie lassen sich alle vom Schein und der eigenen Phantasie blenden und scheinen bis ins Erwachsenenleben auf der Suche nach etwas Bestimmten zu sein, ohne zu wissen wonach genau.

Monica Sabolo bedient sich verschiedener Perspektiven in wechselnder Erzählform. Mal ist es ein Erzähler der aus Sicht der Jungen die Wirkung der drei „Cs“ beschreibt. Claudia, Chris und Charlie schienen plötzlich wie auf dem Nichts aufgetaucht, zu hübschen Mädchen erblüht und werden nun zum Gegenstand feuchter Jungsträume. Umgekehrt lässt sie die Mädchen einzeln erzählen, wie diese jeweils die Welt wahrnehmen. Und mittendrin Franco, der weder reich noch berühmt als Sohn des Lebensmittellieferanten dennoch Zugang zu allen Familien findet und sich einer seltsamen Beliebtheit erfreut. Die Siebziger Jahre vergehen, die Achtziger halten Einzug und verstreichen – es ist wie ein Streifzug nur durch die goldenen Tage eines jeden Jahres, die sich am Ende alle erschreckend gleichen und immer inhaltsleerer werden. Sabolo deutet nur an, was in den Familien tatsächlich vor sich geht. Die schillernde Außenwahrnehmung weicht einer Kälte, Gleichgültigkeit und sexuellen Rohheit, die mich verstört. Mädchen werden zu Opfern von Übergriffen junger Typen und lassen es mit sich geschehen, weil sie nicht recht wissen, was eigentlich vor sich geht. Sie stehen allein und ohne Worte, reduziert auf ihre reine Weiblichkeit und können sich auch untereinander nicht verständigen. Die Eltern sind mit dem eigenen Trauma beschäftigt, betäuben sich mit Macht und Reichtum, lenken sich ab mit Golf und Shopping. Ihre Kinder verkümmern, wachsen zu gefühlskalten Rich Kids heran, die den eigenen Nachwuchs nach dem Vorbild ihrer eigenen Kindheit erziehen.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Roman als Blick in den Zerrspiegel der Klischees zu den armen Reichen lesen soll, oder als Trauma einer Generation, die heute unsere Eltern und Großeltern sind. Es ist so fern meiner eigenen Lebensrealität, dass ich mich immer nur wiederholen kann, wie sehr mich der Text in seiner Gesamtheit verstört. Es will mir nicht in den Kopf, dass diese Romanfiguren kein Gespür für sich selbst entwickeln konnten und hilflos eine Leere in ihrem Leben kompensieren, auf eine Art und Weise, die ihnen so nur aufgrund ihres Reichtums möglich ist. Diese Art von Leben wünsche ich niemanden.