Rezension

"Goldene Zwanziger"

Noble Gesellschaft - Joan Weng

Noble Gesellschaft
von Joan Weng

Bewertet mit 3 Sternen

Herbst 1925, Berlin: Erst verschwindet wieder einmal ein Dienstmädchen spurlos, dann begeht ein ehemaliges Flieger-Ass Selbstmord. Oder war es doch Mord ?
Carl von Bäumer, Starschauspieler bei der UFA, und sein Lebensgerährte Paul Genzer, Kommissar, ermitteln. Immer mehr wird klar, dass nichts so einfach scheint, wie es anfangs aussieht und das hinter allem ein großes Geflecht an Beziehungen und alten Wunden besteht, die sich nun, Jahre später in eine Flut aus Rache verwandeln....

Man taucht durch Joan Weng tief ein in die 20er Jahre. Doch egal, ob es die Gangsterseite, die Seite der "noblen Gesellschaft" ist, jeder, wirklich jeder ist aus meinen Augen sehr skurril. Es ist der oft beschriebene Tanz auf dem Vulkan, extentrisches Leben, Abgreifen, Verbrechen, Leben nach einem Krieg, Egomanie, Koks, Affären,Bigamie, Gefühlskälte, Schmuggel....kaum einer der Protagonisten ist nicht irgendwie mehr oder minder davon betroffen. Oder er gehört auf die Seite der Dienstboten, einfachen Arbeiter, die - im Gegenteil zur verschwenderischen Oberschicht - ein einfaches Leben fristen müssen.
Die Autorin hat damit vieles eingefangen, was in den 20er Jahren des vorherigen Jahrhunderts an der Tagesordnung war. Nicht überall, nicht ausschließlich, allerdings sind sie hier die Protagonisten.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr lebendig, sie weiß mit Worten umzugehen. Allerdings haben mich die vielen Protagonisten, die vielen Wechsel in den Abschnitten, oftmals etwas verwirrt. Hilfreich ist hier zum Glück ein vorangestelltes Personenregister, das mir sehr geholfen hat.
Es gibt nicht nur die vielen Einblicke in die Leben der Akteure, sondern auch im Laufe der Geschichte immer mehr Opfer. Wer steckt hinter allem ? Gehören sie zusammen ?
Carl von Bäumner ermittelt. Seine Erkenntnisse werden am Ende zum Schuldigen führen, manche seiner Wege werden zu oberflächlich erklärt. Zwischendurch hatte ich Probleme die Übersicht zu behalten, auch wenn am Ende alles relativ schlüssig aufgeklärt worden ist und die Autorin sich ein tolles Konstrukt an Verwirrungen und Beziehungen ausgedacht hat. Als Leser hat es mich allerdings mittendrin etwas überfordert.

Fazit:
Eher eine Gesellschafstudie. Die Krimihandlung lief eher nebenher und war für mich zu überladen. Zu viele (unsymphatische) Protagonisten haben mich nicht fesseln können. Allerdings hat die Autorin einen lebendigen Schreibstil und hat die gewollt überzeichnete Zeitstudie der Goldenen Zwanziger hat auch Humor.