Rezension

Gossip Girl in Panem

Feuer & Flut - Victoria Scott

Feuer & Flut
von Victoria Scott

Bewertet mit 5 Sternen

Tellas Bruder ist todkrank und daher ist sie mit ihrer Familie in eine sehr ruhige Gegend gezogen, wahrscheinlich zu ruhig, für aufgeweckte Teenager.

Es gibt weder Internet, noch Fernsehen und nicht einmal ein Telefon. Die ländliche Ruhe lassen die Eltern durch nichts stören, was Tella mittlerweile auf die Nerven geht. Andrerseits will auch sie nur das beste für ihren Bruder, bei dem sie immer wieder die Atmung kontrolliert, aus Angst, dass es bald so weit sein könnte. Eine Befürchtung, die früher oder später höchstwahrscheinlich eintreten wird, wenn nicht ein Wunder geschieht.

Aber dann erhält Tella eine merkwürdige Einladung zur Teilnahme am Brimstone Bleed. Ein Wettrennen mit dem Tod, bei dem es ein Heilmittel für ihren Bruder zu gewinnen gibt.

Eigentlich hatte ich hier mit einer eher düsteren Atmosphäre und einer dystopischen Geschichte gerechnet und habe das Gossip Girl in Panem bekommen, was im Nachhinein betrachtet auf jeden Fall eine sehr erfreuliche Überraschung war.

Das Rennen selbst ist für mich eine total neuartige Idee und ein mitreissendes Abenteuer. Insgesamt geht es über vier Ökosysteme. In diesem ersten Teil der Reihe, hat man es allerdings erst mit zwei davon zutun. Die Teilnehmer des Brimstone Bleed verfolgen alle das gleiche Ziel: sie wollen das Rennen gewinnen, um einen nahen Angehörigen vor dem sicheren Tod zu retten. Wenn das mal kein Ansporn ist?

Das Grundthema ist eigentlich sehr ernst, umso überraschter war ich über die lockere Atmosphäre, den heiter-rasanten Stil und den schwarzen Humor, mit dem sich Tella dieser Herausforderung stellt. Denn auch, wenn sie die Tussi im Spiel ist, zeigt sich schnell, dass sich hinter dem oberflächlichen Mädchen eine Kämpfernatur versteckt, die trotz der bedrohlichen Bedingungen ihren ganzen Mut zusammen nimmt, für das Überleben ihres Bruders alles gibt, sich dabei trotzdem treu bleibt und nicht gegen ihre Prinzipien verstößt.

Die Protagonistin Tella ist nämlich eine echte Nervensäge, das ist allerdings wohlwollend und mit einem Augenzwinkern gemeint. Glitzernagellack? Bitte, warum nicht. Man kann ja nie wissen, wofür man den bei einem Wettlauf mit dem Tod gebrauchen kann, im Dschungel ärgert man sich vielleicht, wenn man ausgerechnet den nicht eingepackt hat. Man sieht, an Tella musste ich mich erst gewöhnen, dafür habe ich diese zickige Göre umso inniger in mein Herz geschlossen. Zumal Tella selbst nur allzu gut weiß, dass sie eine gestandene Tussi ist und mit einer herrlichen Selbstironie packt sie ihre eigene Oberflächlichkeit und so manche brenzlige Situation an.

„Bisher habe ich Toilettenpapier wirklich nie genug zu schätzen gewusst. Wenn meine Mom mich das nächste Mal bittet, im Laden eine Jumbopackung zu holen, werde ich es erhobenen Hauptes tun.“ (S. 64)

Besonders spannend ist aber nicht nur das Rennen selbst, weil die Ökosysteme und andere Teilnehmer einem doch einiges abverlangen, sondern, dass man die Geschichte direkt von Tella aus der Ich-Perspektive erfährt. Die Protagonistin weiß so gut wie nichts über die Hintergründe des Brimstone Bleeds und hat es nur ihrer Sturheit zu verdanken, dass sie sich in den Wettlauf um das Leben ihres Bruders stürzen konnte. Daher ist man als Leser genauso unvorbereitet wie Tella und weiß gar nicht so recht, worauf man sich überhaupt eingelassen hat, was natürlich meine Neugier ungeheuer anheizte und mich auf die Fortsetzung freuen lässt.

„Feuer & Flut“ ist bestimmt kein hochkarätiges Werk der Weltliteratur, allerdings glaube ich nicht, dass die Autorin diesen Anspruch überhaupt erfüllen will. Es ist für mich ein sehr unterhaltsamer Abenteuerroman, ein Pageturner, den ich dank der etwas burlesken Protagonistin - die ich trotz oder vielleicht sogar dank ihrer nervenden Art richtig lieb gewonnen habe - mit einem Schmunzeln im Gesicht geradezu verschlingen musste. 

Kurz gesagt: Mir hat’s sehr gut gefallen und das Lesen hat mir großen Spaß gemacht!

Die Feuer-&-Flut-Romane:
1) Feuer & Flut
2) Salz & Stein

© NiWa