Rezension

„Gott hilf dem Kind“ ist ein Buch voller Altersweisheit, in dem es neben den nach wie vor wirksamen Folgen des Rassismus in den USA um Verantwortung geht und um menschliche Fehlbarkeit und Schuld

Gott, hilf dem Kind - Toni Morrison

Gott, hilf dem Kind
von Toni Morrison

Bewertet mit 5 Sternen

Toni Morrison, Gott, hilf dem Kind, Rowohlt 2017, ISBN 978-3-498-04531-9

 

In ihrem neuen, knapp 200 Seiten umfassenden Roman, erzählt die Literaturnobelpreisträgerin Toni Morrison, mittlerweile 86 Jahre alt, in wechselnden Perspektiven die Geschichte von Menschen, die alle unter einem dunklen Geheimnis leiden, eine alte Schuld mit sich herumtragen und erst wieder heil werden, als sie spüren, dass ihrem inneren Kind geholfen werden muss, wollen sie wieder heil werden. Dass diese Heilung eine auch spirituelle Dimension hat, daran lässt Toni Morrison schon bei der Wahl des Buchtitels (im Original „God help the Child“) keinen Zweifel.

 

Zunächst erzählt eine Frau namens Sweetness, wie sie damals, als ihre Tochter Lula Ann auf die Welt kam, fast zu Tode erschrak, als sie sah, wie tiefschwarz dieses Baby war. Der Mann und Vater des Mädchens verlässt beide sofort, weil er nicht glauben kann, dass er wirklich der Vater ist. Aus Angst vor rassistischen Angriffen erzieht sie ihre Tochter zu Gehorsam, Unterwürfigkeit und Anpassung.

 

Doch die heranwachsende Tochter wehrt sich gegen diese verordnete Angepasstheit. Sie nennt sich Bride, kleidet sich provokativ ganz in Weiß und macht eine steile Karriere bei einer Kosmetikfirma  mit einem eigenen von ihr entwickelten Produkt.

 

Bride lernt einen Mann kennen, ein Mann der sie wirklich liebt. Doch die Beziehung scheitert, zum einen an der Last der Schuld, die Bride mit sich herumträgt, zum anderen an dem tiefen in seiner eigenen Kindheit wurzelnden Schmerz.

 

Als Bride jene Frau besuchen will, die sie durch ihre Aussage als Kind ins Gefängnis brachte, fällt jene über sie her und verletzt sie schwer. Von ihrer Kolegin Booker unterstützt, beschließt Bride während ihrer Rekonvaleszenz sich nicht nur auf die Suche nach sich selbst zu machen, sondern auch nah jenem Mann, den sie immer noch liebt.

 

Als sie sich schlussendlich in ihren Schmerzräumen und - geschichten treffen deutet sich eine Chance auf Heilung an. Doch auch ihr Kind wird es nicht schaffen ohne Gottes Hilfe.

 

„Gott hilf dem Kind“ ist ein Buch voller Altersweisheit, in dem es neben den nach wie vor wirksamen Folgen des Rassismus in den USA um Verantwortung geht und um menschliche Fehlbarkeit und Schuld. Es geht um die Dimensionen afroamerikanischen Selbsthasses und um die Schatten einer schwarzen Kindheit. Vier verschiedene Ich-Erzählerinnen verteilen zunächst lose Fäden, die sich dem Leser aber später zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen.

 

Es erzählt eine Geschichte voller Kraft, leidenschaftlich, eine Geschichte, die im Leser lange nachklingt.