Rezension

Grandios!

Finderlohn
von Stephen King

In gewisser Weise ist Finderlohn eine Fortsetzung. Es ist eine eigene Geschichte mit einem eigenen Fall und eigenen Verbrechern: aber Bill Hodges, den Detektiv, den kennen wir bereits aus Mr. Mercedes. Und ich denke, wer wirklich alle Zusammenhänge verstehen möchte - und ohnehin vorhat Mr. Mercedes zu lesen - der sollte auch mit Mr. Mercedes beginnen. 

Finderlohn schlägt wie schon Mr. Mercedes eine andere Richtung ein, als man sie von King kennt. Es ist kein offensichtlicher Horrorroman, sondern weist viel mehr Krimi- bzw. Thrillerelemte auf. Es geht um einen Fan, der aus lauter Fanatismus seinen Lieblingsautor umbringt, weil dieser nicht mehr publiziert. Er stielt Notizbücher mit unveröffentlichen Romanen, vergräbt diese - und landen wegen eines anderen Delikts lebenslänglich im Gefängnis. Der junge Peter findet die vergrabenen Notzibücher Jahre später, ohne zu wissen, dass der Mörder wieder auf freiem Fuß ist und Jagd auf ihn mache wird. Damit ist das Grundgerüst des neues Kings gelegt. 

Was so faszinierend an dieser Geschichte ist, sind die Figuren. Sowohl Teenager Peter wie auch der alte Morris Bellamy wirken lebhaft und echt, die Sprache in den Perspektiven ist dem Alter der jeweiligen Figur angepasst. Je länger man liest, desto mehr hat man das Gefühl, die Menschen zu kennen, bei ihren Erlebnissen dabei gewesen zu sein. Als wäre all das tatsächlich passiert. Vielleicht liegt darin der Horror dieser Geschichte: dass man das Gefühl hat, über ein Ereignis, das tatsächlich passiert ist, zu lesen. 

Aber in diesem Roman geht es um vielmehr als einen Mord und eine Jagd. Es geht darum, was Literatur mit uns machen kann, welche Macht Bücher und das gedruckte Wort im Allgemeinen besitzen. Es geht darum, was das Gefängnis aus einem Menschen macht, wie sie sich dort veränderrn, was sie lernen. In gewisser Weise erinnert Bill Morris an Misery aus dem gleichnamigen Roman, die ihren Lieblingsautor gefangen nahm und ihn zwang, ihre Lieblingsgeschichte weiterzuschreiben, weil sie mit dem eigentlichen Ende nicht zufrieden war. Die Prämisse ist sehr ähnlich, die eigentliche Geschichte eine ganz andere.  Deute ich die Anspielungen richtig, so scheint es einen dritten Band mit Bill Hodges zu geben, der hier keine Haup-, aber trotzdem eine wichtige Rolle spielt. 

Im Grunde spiegelt Finderlohn vor allem eine ganz bestimmte Angst: die, dass Menschen den Unterschied zwschen Fiktion und Wirklichkeit nicht mehr erkennen können. Die Angst vor der Macht von Büchern und ihrer Fähigkeit, so realistisch zu erscheinen, dass Menschen sie als Realität anerkennen. Ich bin eigentlich keine Krimi-Leserin, aber was King aus diesen Romanen macht ist einfach grandios. 
 

(c) Books and Biscuit