Rezension

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Grandios - und viel besser als der Film! (Buch- und Filmkritik)

Seelen - Stephenie Meyer

Seelen
von Stephenie Meyer

„Planet Erde. Irgendwann in der Zukunft“ so beginnt der Klappentext zu „Seelen“, der 2008 veröffentlichte Roman von „Biss-“ und Bestseller-Autorin Stephenie Meyer. Ohne Vampire und Werwölfe, diesmal mit Außerirdischen, die jedoch keinesfalls an ekelerregende Körperfresser erinnern, sondern die friedfertig sind und die Erde in eine, nach ihrer Sicht, bessere Welt verwandeln möchten. Und tatsächlich hat sich das Leben auf der Erde vollkommen verändert, es gibt weder Kriege noch Umweltverschmutzungen. Der Preis dafür ist aber hoch: die Menschen sind nicht mehr sie selbst. Sie wurden von sogenannten „Seelen“ besetzt und dienen diesen als Wirte, wenn auch diese Übernahme nur durch einseitige Zustimmung erfolgte. Es hat sich Widerstand gebildet, denn die Menschen wollen leidenschaftlich, irrational und aggressiv bleiben.

Melanie Stryder, einer der letzten Menschen und eine Rebellin, wird nach langer Flucht gefasst und ihr wird eine Seele namens Wanda eingesetzt. Jedoch ist sie stark und wird somit nicht von Wanda ausgelöscht. Wanda bekommt den Auftrag Mel zu brechen und somit an Informationen über den Widerstand zu kommen, doch Mel beschützt die, die sie liebt und existiert neben Wanda. Das führt zu sehr unterhaltsamen inneren Dialogen zwischen den beiden, die unterschiedlicher nicht sein könnten: die sanfte Seele Wanda und die rebellische Mel, die niemals aufgibt. Bald ist Wanda überwältigt von Mels Erinnerungen und Gefühlen und möchte diese nicht mehr an die anderen Seelen verraten, denn diese Gefühle sind auch zunehmend ihre eigenen geworden: die Liebe zu ihrem Gefährten Jared und ihrem kleinen Bruder Jamie. Mel und Wanda machen sich Sorgen um die beiden und erinnern sich daran, dass Mels Onkel von einem Unterschlupf gesprochen hat. Mel kann Wanda zur Flucht dorthin überreden, jedoch verirren sie sich in der Wüste und werden halbtot von Mels Onkel gefunden. Dieser bringt sie in einen großen Höhlenkomplex mit vielen anderen Widerstandskämpfern. Wanda wird jedoch eindeutig als Seele erkannt und als Gefahr und Gefangene behandelt. Nach einer Weile beginnt sie sich aber mit einigen anzufreunden, auch mit Jamie, der, wie auch Jared, hierher geflüchtet ist. Jamie erkennt auch, dass in ihr seine Schwester Mel noch da ist. Sie wird zunehmend akzeptiert, hat in Mel eine Freundin gefunden, jedoch besteht weiterhin die Dreiecksbeziehung in nur 2 Körpern, bis sie sich in Ian verliebt.
Den Spannungshöhepunkt erreicht die Autorin, indem sie eine Situation schafft, in der Wanda sich selbst gegenüber gezwungen sieht eine Entscheidung zu treffen: für sich selbst oder für die Menschen, die sie liebt und für Mel, die für sie wie eine Schwester geworden ist.
 

Die Umsetzung des Buches hält, was die Grundidee verspricht. Man täuscht sich am Anfang in dem Glauben, dass es ein Buch ist, indem viel passiert. Vielmehr bleibt Stephenie Meyer ihrem Stil treu und schafft ein ruhiges Buch, das hauptsächlich den Konflikt der zwei Seelen in einem Körper behandelt mit der anfänglichen Wut, den Hass und dann die beginnende Freundschaft der beiden Spezies.
Stephenie Meyer gleicht das Genre des Science-Fiction sehr effektiv an eine Teenagerromanze an. Dabei gibt es sogar Parallelen zu ihren Biss-Romanen: Das Mädchen steht wieder zwischen zwei Männern, jedoch spielt sich dieser Konflikt diesmal nur mit 2 Körpern ab.
Seelen ist eine Mischung aus der Friedfertigkeit der Invasoren und der Leidenschaftlichkeit der Menschen und hat somit nichts mehr mit dem klassischen Körperfresser-Thema zu tun.
Zwischenzeitlich ist das Buch etwas langatmig und manche Situationen wiederholen sich, was bei 861 Seiten nicht wunderlich ist, trotzdem wird es beim Lesen nie langweilig.

Meyers Stil ist zwar keine Offenbarung, aber flüssig und gut zu lesen.
Das wichtigste an diesen Buch waren aber die Gefühle, die so viel wichtiger erscheinen als ein ein vollkommener Erzählstil. Die Autorin ermöglicht den Leser, dass dieser sich nicht nur in die Charaktere hineinversetzen kann, sondern dass dieser mit ihnen mitfühlt, alles miterlebt, da die Gefühle sehr anschaulich beschrieben werden. Die mit einer gewissen Tiefe ausgestatteten Charakter und ihre Geschichte berühren den Leser.

Das Buch endet mit einem vollkommen Happy End, was eher als kindliches Wunschdenken erscheint, statt einer realistischen Betrachtung der vorhandenen Tatsachen.
Trotz allem hat Meyer ein fantastisches Buch erschaffen, was sich sowohl an Jugendliche als auch an Erwachsene, trotzt einiger eher pubertärer Probleme, richtet und die Hoffnung auf unerwartete und tiefe Freundschaften zwischen allen Wesen vermittelt, je unterschiedlich sie auch sein mögen.

Im Vergleich zu diesem grandiosen Buch ist der 2013 erschiene Film für jeden Fan eine herbe Enttäuschung.
Regisseur von Seelen, Andrew Niccol, ist auf detaillierte Zukunftsvisionen spezialisiert und somit ist es sehr verwunderlich, dass dieser, statt einen Blick in das Innere einer möglichen Zukunftsgesellschaft zu werfen, seinen Film ins Mystische verlieren lässt.

Den Figuren im Film fehlt der Tiefgang und sind oft nur plastisch dargestellt, was ein starker Gegensatz zu den Figuren im Buch darstellt, da diese dem Leser sofort sympathisch werden und er eine Verbindung zu ihnen aufbaut. Die Beziehung zwischen Mel und Wanda ist im Buch tiefgreifend und emotional und der Leser leidet bei der finalen Entscheidung mit den beiden, was wiederum an Meyers wundervoller Begabung mit Gefühlen umzugehen liegt.
Im Film dagegen wirken die Beziehungen flach und der Zuschauer kann sich nicht wirklich für die Charakter erwärmen, trotz starker Leistung der Starbesetzung, wie beispielsweise Saoirse Ronan als Melanie/Wanda und Jake Abel als Ian. Man hat auch das Gefühl, dass die Schauspieler nicht wirklich in ihre Rolle passen.
Man erkennt die schlechte Verfilmung dieses Buches auch daran, dass der Charakter von Mels Bruder, Jamie, der im Buch mit so viel Liebe entwickelt wurde und der dort auch eine Schlüsselrollte in der Akzeptanz von Wanda gespielt hat, im Film anscheinend nur eine einzige Funktion hat, nämlich der kleine Bruder zu sein, und sonst vollkommen vom Drehbuch vernachlässigt wurde.
Ziemlich viele Charaktere aus dem Buch wurden weggelassen bzw. es wurde nicht näher auf sie eingegangen, jedoch wurden die Bedeutendsten aus dem Buch verwendet.
Die Charaktere wurden optisch nur mittelmäßig bis schlecht umgesetzt, beispielsweise wurden die Details von Ian, seine schwarzen Haare und blauen Augen, vollkommen vernachlässigt.
Die Entwicklung vieler Charaktere, die Wanda zuerst töten wollten und plötzlich freundlich zu ihr sind, ging viel zu schnell.  Man bekommt auch wenig von den Gedankengängen und Ansichten der Charaktere, außer von denen der Protagonistin, mit.

Dem Film fehlt es an Spannung, wobei es nach kurzen Momenten der Besserung einen sofortigen Abfall in die Langweile gibt.

Die telepathische Kommunikation der Protagonistin mit ihrem Gast erscheint anfangs etwas sperrig, doch dank Ronans exzellenter Leistung stört dies bald nicht mehr.

Die Story im Film wurde durch vereinzelte, hinzugefügte Actioneinlagen, hauptsächlich Verfolgungsjagden, vorangetrieben.

Natürlich musste das über 800 seitige Buch gekürzt werden und die Auswahl war absolut zufriedenstellend, da die wichtigsten Szenen übernommen wurden und nicht unnötig viel Zeit an unwichtigen Elementen verschwendet wurde.
Die langwierige Einführung im Buch wird extrem gekürzt und nach einigen Minuten geht es auch schon richtig los, was jedoch der Handlung keinen Abbruch tut.

Negativ war jedoch, dass im Gegensatz zum Buch, nicht behandelt  bzw. sehr vernachlässigt wurde, was eine Person überhaupt liebenswert macht, ob es wirklich nur das Aussehen ist oder auch das Innere und die Frage, wer man eigentlich ist.

Die nicht einfache Umsetzung der Location, also die Wüstenlandschaft, die Höhle, das Getreidefeld darin und die Spiegeldecke, war sehr gut gelöst.

Viele Fans des Buchen werden den Film sicherlich nicht besonders mögen, da vieles anders gestaltet wurde, jedoch sollte man den Film unabhängig vom Buch betrachten, denn dann ist es ein Film mit einer guten Handlung und einer Starbesetzung, bei dem es sich lohnt, ihn gesehen zu haben.