Rezension

grausam, brutal, spannend - gelungener Thriller

Pretty Girls
von Karin Slaughter

Bewertet mit 5 Sternen

Wenn Menschen spurlos verschwinden, ist es für alle Angehörigen eine furchtbare Situation. Man malt sich die schlimmsten Szenarien aus und trotzdem bleibt die leise Hoffnung, dass der Verschwundene wieder auftauchen könnte. Auch die 19 Jährige Julia ist vor über zwanzig Jahren nach einer Party nicht mehr nach Hause gekommen. Was mit ihr wirklich passiert ist, konnte niemals aufgeklärt werden. So viele Jahre später hätte wohl mehr niemand damit gerechnet, dass der Fall noch einmal aktuell werden könnte. Doch eine brutale Mordserie erschüttert die Menschen und wirft unzählige Rätsel und Fragen auf. Auch Claires Welt steht Kopf, sie stößt auf immer mehr düstere, erschreckende Geheimnisse und weiß bald nicht mehr, wem sie noch glauben darf.

 

Es gibt Menschen, den möchte man nicht im Dunkeln begegnen und dann gibt es noch Menschen, den möchte man nicht mal am helllichten Tag über den Weg laufen. Dieses Buch vereint unzählige schreckliche Situationen, Ängste und Gefahren, man kommt aus dem Gruseln, Staunen, Erschrecken und Erschüttert sein gar nicht wieder raus. Der Autorin gelingt es den Leser so tief in die Handlung zu ziehen, dass die Atmosphäre richtig überspringt.

Durch die detaillierten Beschreibungen werden die Schauplätze und Inhalte bildhaft dargestellt. Man taucht immer tiefer in das Konstrukt ein, verfängt sich in dem gespannten Netz und erlebt all die brutalen, teilweise ekligen Momente hautnah mit. Ich habe mich beim Lesen einige Male in die Irre führen lassen, bin auf die ausgelegten Köder hereingefallen und habe irgendwann selbst angefangen an allem und jedem zu zweifeln. Wem kann man glauben, wem darf man trauen, gibt es noch einen Weg zurück ins Licht?

Die Handlungsstränge scheinen zunächst unabhängig voneinander zu existieren. Man lernt unterschiedliche Personen kennen, erhält einen Einblick in ihr Leben und auch in die düsteren Seiten ihrer Vergangenheit. Nach und nach kristallisieren sich Verbindungen und Zusammenhänge zwischen den Figuren raus. Die Handlung verschmilzt immer mehr miteinander, bis es irgendwann nur noch einen Strang gibt, der alles miteinander vereint. Die Perspektivwechsel erzeugen einen spannenden und dynamischen Wechsel zwischen den Szenen und ermöglichen es gleichzeitig verschiedene Personen zu begleiten und Einblicke in ihre Gedanken- und Gefühlswelten zu erhalten.

Besonders berührend waren für mich die Passagen, in denen ein Vater an seine vermisste Tochter schreibt und ihr berichtet, was sie alles verpasst. All die Wut, der Frust und die Trauer sind in jedem Wort deutlich spürbar und doch findet er schöne Worte, die ebenso zeigen, wie sehr er sein Kind liebt. Diese Kapitel sind über das Buch gestreut und haben mehr mit der restlichen Handlung zu tun, als man zunächst vielleicht annimmt.

Die Briefform hebt sich deutlich vom den anderen Abschnitten ab. Und obwohl es sonst einen personalen Erzähler gibt, wird mit Emotionen nicht gespart. Besonders präsent sind die düsteren und schlimmen Empfindungen, die durch verschiedensten Situationen ausgelöst werden. Es ist ein Spiel mit der Angst, bis an die Grenzen der Belastbarkeit und darüber hinaus.

Immer wieder gibt es überraschende Momente und Wendungen, die alles durcheinander wirbeln. Hat man geglaubt, man hat die Lösung und schlimmer geht es kaum noch, setzt Karin Slaughter noch einen oben drauf. Man erlebt anschaulich, wie unendlich tief die Abgründe der menschlichen Seele sein können. Dabei verliert die Geschichte nie an Spannung, ganz im Gegenteil. Zum Ende des Buches wird es immer rasanter, die Ereignisse überschlagen sich, es muss schnell und präzise gehandelt werden, obwohl die Charaktere keinen rechten Ausweg wissen.

 

Diese Geschichte ist nichts für Zartbesaitete, denn es geht ordentlich zur Sache. Es wird blutig, grausam und wirklich furchteinflößend. Ein tolles, mitreißendes Buch, das mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt hat.