Rezension

Grenze von Fiktion und Wirklichkeit verschwimmt geschickt

Wie man die Zeit anhält
von Matt Haig

Bewertet mit 5 Sternen

Du darfst dich auf keinen Fall verlieben! Dies ist die oberste Regel für Tom Hazard, denn er ist anders als normale Menschen: Er altert so langsam, dass er mehrere Jahrhunderte alt wird. Liebe und die Schmerzen des Verlustes,  wenn der geliebte Mensch normal altert und stirbt, können für ihn nur hinderlich sein. So sagt es ihm Hendrich, sein Mentor und Beschützer – denn Tom braucht ständig neue Identitäten, um nicht aufzufallen.

Es handelt sich hier um ein unglaublich tiefgängiges, eindrückliches und gleichzeitig spannendes Buch. Ich bin normalerweise kein Fan von Geschichte und von Episoden in der Vergangenheit, aber gemeinsam mit Tom durch verschiedene Epochen und Länder zu gehen und mitzubekommen, was er alles erlebt, wie er seine Identitäten ändert, wie die Einstellungen der Menschen waren, wie sich die Kultur ändert – und was eben doch all die Jahre immer gleich bleibt – das fand ich unglaublich interessant. Die Idee, den Hauptcharakter nicht unendlich leben zu lassen, sondern ihn nur als sehr langsam alternden Charakter vorzustellen, ist für mich etwas Neues. Auch wenn ich weiß, dass es so etwas nicht gibt (oder doch?), hatte ich nie wirklich das Gefühl, einen Fantasyroman zu lesen. Vielmehr war es so logisch erklärt und in sich schlüssig, dass ich mich nicht wundern würde, wenn sich Tom morgen bei mir vorstellen würde. Das muss man als Autor auch erst mal schaffen, die Grenzen von Fiktion und Wirklichkeit so verschwimmen zu lassen, dass es für den Leser real wirkt.

Die Verknüpfung von Orten mit Geschehnissen in der Vergangenheit und eine Fülle von vielseitigen Charakteren geben dem Buch ihren besonderen Reiz! Ich kann es wirklich nur jedem empfehlen – vielleicht sogar besonders Leuten, die sowieso ein Interesse an Geschichte haben oder einfach jemandem, der mal eine ganz andere Liebesgeschichte lesen will  - denn letztendlich wird es sich doch darum drehen: Wie kann man lieben, wenn man unendlich lebt?

Bisher mein Belletristik-Highlight 2018 und ich habe das Buch jetzt schon mehrmals gelesen. Nach diesem Autor werde ich weiterhin die Augen offenhalten!