Rezension

Grenzenlose Wut

Barrakuda - Christos Tsiolkas

Barrakuda
von Christos Tsiolkas

Bewertet mit 1.5 Sternen

Die Überschrift ist bezeichnend, denn sie trifft auf zwei Personen zu. Auf den Protagonisten dieses Buches, Danny Kelly, und auf den Rezensionsschreiber, also meinereiner. Und warum?

Fangen wir mit Danny an. Er ist ein begnadeter Schwimmer, so gut, dass er - aus nicht gerade begüterten Verhältnissen stammend -, ein Stipendium für eine teure Privatschule bekommt. Dort wird er nicht gerade mit offenen Armen empfangen, seine reichen Mitschüler machen sich über ihn und seine Mutter lustig, und da er auch im Unterricht nicht gerade der hellste Stern am Himmel ist und unfähig ist, sich sozial einzufügen, ist das Schwimmen das Einzige, wo er es ihnen richtig zeigen kann. Gefördert und gefordert von Frank Torma, seinem Schwimmtrainer, wird Danny besser und besser, bis er schließlich sogar nationale Wettkämpfe gewinnt und schon von olympischen Medaillen träumt.
Soweit, so gut. Jeder kann einen ehrgeizigen Jungen verstehen, der beharrlich und diszipliniert auf sein Ziel hinarbeitet. Jeder kann auch verstehen, dass es nicht so supertoll ist, wenn man verspottet und nicht in die Klassengemeinschaft aufgenommen wird. Doch damit hört es auch schon auf, zumindest bei mir.

Danny ist nicht etwa dankbar, dass er dieses Stipendium bekommt. Er hasst die Schule schon, bevor er überhaupt seinen ersten Schritt in das Gebäude gemacht hat. Er hasst alle Schüler, die ihm begegnen, und mit wenigen Ausnahmen auch alle Erwachsene. Schlimmer noch: Er verachtet seine Eltern, weil sie hart arbeitende Menschen und Ausländer sind. Wie er über seine Mutter denkt, wie er seinen Vater behandelt - beide reißen sich über Jahre wieder und wieder und wieder ihren A...llerwertesten auf, damit der gnädige Herr mit den reichen Jungs mithalten kann -, das ist einfach nur noch menschenverachtend. Überhaupt sind für Danny alle anderen Menschen nur Menschen zweiter Klasse, von Demet abgesehen vielleicht. In ihm tobt ständig Wut, weil er ja so ungerecht behandelt wird - meistens ist es seine Einbildung. Er tut allen weh, die ihn (aus welchen missgeleiteten Gründen auch immer) mögen und unterstützen und er schleimt sich bei einem Klassenkameraden ein, der aus sehr reichen Verhältnissen stammt. Als er irgendwann begreift, dass dieser vielleicht doch nicht der tolle Freund ist, rastet er aus und wird gewalttätig, was ihn ins Gefängnis bringt.

Was soll ich sagen? Dieses Buch hat mich genauso aggressiv werden lassen wie seinen Protagonisten. Was für ein undankbarer Bengel. Und ja, ich halte ihn für einen Loser. Nur weil er einen wichtigen Wettkampf nicht gewinnt, wirft er alles hin und dreht am Rad, schlägt um sich, zerstört Freunde, Familie und Förderer. Er gibt einfach auf. Wie abgrundtief dumm das ist. Es gibt keine Weiterentwicklung bei diesem Danny Kelly, nicht als ehrgeiziger Junge, nicht als Teenager, nicht als Mann. Ja, er arbeitet später mit Behinderten, aber ist das etwas, das er sich bewusst überlegt oder ausgesucht hat? Nein, das fiel ihm in den Schoß, er kann mit ihnen umgehen, er bekommt einen Job darin, er musste nichts dafür tun. Wann immer Danny Kelly über sich oder sein Leben nachdenkt, geht es immer nur darum, dass alle anderen schuld sind, dass er ungerecht behandelt wird, dass er nicht bekommt, was ihm seiner Meinung nach zusteht.

Und damit schlage ich den Bogen wieder zurück zu mir und meiner Wut, denn die simmerte ununterbrochen unter der Oberfläche beim Lesen. Ich kann mich an kein Buch erinnern, bei dem ich je einen Protagonisten so dermaßen verabscheut habe wie diesen Danny Kelly. Dass der Autor dazu noch ständig in den Zeitformen und Jahren hin- und herspringt, macht das Buch nicht sympathischer. Ja, er kann schreiben, nein, es ist kein Problem, der Handlung zu folgen. Aber wenn man bewusst seinem Protagonisten sämtliche Sympathien entzieht, braucht man sich nicht zu wundern, wenn Leser wie meinereiner einem Buch sämtliche Sympathien entziehen.